Apfelmus? Apfelmust

Apfelmus ist das Lifestyle-Produkt schlechthin: lecker, leicht und budgetschonend

Rezept: Apfelmus alla Susy Stucki

Viele tun es als fade Krankenkost ab. Andere schütteln sich. «Apfelmus? Das erinnert an Skilager, Militär und einen verbüxten Willi Tell.»

Doch die Gourmets wissen: Apfelmus ist auch heute noch die Königin unter den Fruchtspeisen. Besonders die Jungköche haben es neu entdeckt. Sie drapieren das Püree malerisch zu Braten, Wild oder Geflügel auf die Teller. Das Apfelmus wird in der Cuisine créative zum Apfelmust. Und die Ärzte geben anerkennend Applaus: «Apfelmus hilft beim Verdauen.» Das ist einer der Gründe, weshalb der Apfel immer wieder im Zusammenhang mit «schwerer Kost» gereicht wird - als Begleitung zu Blut und Leberwürsten, als «Apfelkren» zum klassischen österreichischen Tafelspitz oder als Tüpfelchen aufs i bei fetten Käseschnitten.

Apfelmus war in den 50er und 60er Jahren die meistgelagerte Notvorratsbüchse im Schweizer Haushalt. Die Dose löste die Zeit des «Sterilisierens» ab. Die Konserve mit dem Fruchtbild sah zwar nicht so schön aus wie die bügelverschlossenen Bülacher Gläser auf den Kellerhurden unserer Grossmütter. Dort funkelten die schön geschichteten Birnenschitze, die glänzenden Kirschen und die goldenen Pfirsich-Hälften wie Kunstwerke hinter Glas. Aber Büchsenapfelmus war nicht nur praktischer. Es war auch preiswerter. Jahrzehntelang bot der Marktführer Hero die Kilodose unter einem Franken an. Und jahrzehntelang wurden die 5-Kilo-Kübel in Spitäler und Kurhäuser geliefert - denn die Arbeitslöhne stiegen. Und wenn die Zubereitung von hausgemachtem Apfelmus auch keine Hexerei ist, so wurde es durch die hohen Stundenlöhne doch bald einmal teurer als die bequeme Büchse.

«S metällelet.»  Seit über 100 Jahren schon kann der Schweizer sein Apfelmus in der Konserve kaufen. 1899 hat Hero die erste Apfelmusbüchse auf den Markt gebracht. Und noch heute ist sie ein Renner. Im vergangenen Jahr wurde hier die Produktionskapazität wesentlich erhöht. Im Zweischichtenbetrieb wird während der Erntezeit das «Musen» auf Höchstleistung heraufgefahren. Täglich werden 80 Tonnen Äpfel verarbeitet. Und noch immer nach der alten, bewährten Methode: die erntefrischen Äpfel - am besten eignen sich Boskop, Glocken und Golden Delicious - werden gekocht, passiert, in Dosen abgefüllt und erhitzt. Alles ohne Konservierungsmittel, versteht sich.

In den 30er Jahren war es Rocco, welche das Apfelmus schweizweit mit einem Werbespruch berühmt gemacht hatte. Der Werbespot würde in der jetzigen Zeit wohl nicht mehr den PR-Oscar erhalten: IHR WÜRDET HEUT IM PARADIES NOCH LEBEN, HÄTTS APFELMUS UND NICHT VERBOTNE FRUCHT GEGEBEN.

«S metällelet aifach!», grunzte Vater jeweils Mutter an, wenn sie ihm das Hausdessert hinstellte: ein Schälchen Apfelmus mit einem Klackser Schlagrahm obendrauf. «Dann gib einen Schuss Kirsch drüber», offerierte sie gut gelaunt ihren Hausfrauen-Trick, mit dem sie auch die Büchsenananas zu einer Delikatesse aufpolierte. Kirsch war der Geschmacksübertüncher jener Zeit - quasi die Notfalltropfen der Küche. In den 70er Jahren bediente sich die Konservenindustrie dann der Keramik-Beschichtung für ihr Büchseninneres; so fiel überall auch der Metallgeschmack weg.

Wir Kinder liebten Apfelmus. Es war der sanfte Begleiter zu zahlreichen Sparmenüs, die meistens fleischlos, aber köstlich waren. Gings gegen Monatsende kamen die Büchsenreserven zum Zug - dazu Pasta, die man damals noch Teigwaren nannte. Und Teigwaren waren Nudeln oder Hörnli. Diese wurden mit Apfelmus serviert. Über die Nudeln kam nicht nur in Butter geröstetes Paniermehl, sondern auch ein Schlag Büchsenapfelmus.

«Naudeln und Apfelmaus». So hat sich die Familie noch lange die Geschichte erzählt, wie ich als Zehnjähriger wichtigtuerisch einen wildfremden Deutschen, der vor unserm Haus nach dem Weg zum Spalentor gefragt hatte, in astfreiem Apfelmusdeutsch zum Mittagessen eingeladen hatte: «Kommen Sie nummen zuunis - es gibt Naudeln und Apfelmaus.» - Auch heute noch ist Apfelmus ein Küchenrenner, der ohne grosse PR seinen fruchtigen Umsatz steigern kann. Die Grossverteiler wie Migros und Coop bieten verschiedenste Arten des Mus an. Bei Coop steht der pürierte Apfel gar als «Lifestyle»-Produkt, kalorienarm (48 Kalorien/100 Gramm), oder dann auch als Bio-Renner in den Regalen. «Hörnli mit Apfelmus» sind nicht nur in Bergrestaurants und Skihütten zum Renner geworden - sie sind auch heute noch das Schnelldessert, das aus der Büchse kommt. Und erst noch sehr bekömmlich ist. Immerhin entspricht Apfelmus, so berichtet Hero-Archivar André Brunner, rundum dem heutigen Ernährungstrend: gesund und gut.

Legendär. Susy Stucki, einstige Zwei Sterne-Beizerin und Gattin des wohl berühmtesten Küchenchefs der Schweiz, liebt Apfelmus. Ihr Mann hat immer wieder Äpfel verarbeitet und etwa zu seinen legendären, hausgemachten Blutwürsten serviert. Allerdings sei die richtige Sorte für «Schnitzli» und Mus wichtig - die säuerlichen Cox Orange gebe es praktisch nicht mehr. Wie immer in der Spitzengastronomie sei das Suchen nach den richtigen Rohprodukten noch wichtiger als die Kocherei selber.

Seit dem Tode von Hans Stucki kocht Susy Stucki «eine Kleinigkeit für mich selber. Oder ich gehe zum Essen zu meinen alten Freunden.» Sie geniesst den Besuch bei den Gastro-Kollegen in den Gourmettempeln: «Vieles verändert sich - und doch schmeckt man immer wieder die alten Grundregeln, die auch mein Mann stets gepredigt hat: Viel Arbeit und viel Geduld machen die gute Küche...» Mit Büchsenapfelmus als Basis hat Susy Stucki für uns ein Dessert entwickelt, das einfach zuzubereiten ist. Und so leicht wie köstlich schmeckt:

Apfelmus alla Susy Stucki

Zutaten:
500 g Büchsenapfelmus, 3-4 säuerliche Äpfel, in Würfelchen geschnitten, 4 Esslöffel Zucker, 2-3 alte Toastbrotschnitten (ebenfalls gewürfelt), 50 g Butter, Zimt, Weisswein.

 Zubereitung: Zucker caramelisieren und Apfelwürfeli hinzugeben. Mit Weisswein ablöschen und glasig, aber noch knackig blanchieren.
Brotwürfeli in Butter rösten. Zucker und Zimt auf Küchenpapier mischen und die heissen Brotwürfeli darin wenden.
Apfel- und Brotwürfeli unter das Apfelmus mengen. Ausgarniert - eventuell mit Pfefferminzblatt oder mit etwas Rahm - servieren.

E Guete!

Rezeptkategorie: 
Freitag, 24. Juni 2005