Basel tickt anders.

Ganz klar: Basel tickt anders. Das fängt schon damit an, dass die Basler den Tick haben, Basel würde anders ticken.
Für Basler ist Basel immer "der spezielle Kick". Und "der andere Tick". Das "typisch Basel" lassen wir uns nicht nehmen. D a s nicht.

Auch wenn‘s die übrige Schweiz noch nicht gemerkt hat: aber Basel ist der Nabel der Welt. Und darum dreht sich alles. Ganz speziell der Basler. Das hat mit provinziellem Chauvinismus nichts zu tun – das ist ganz einfach die grosse Liebe zu einer Kleinstadt, die keine kleine Stadt sondern ein grosser Zustand ist.

Natürlich rüsselt der Besucher auf den ersten Blick: "Umshimmelswillen – derselbe Mief wie überall. Und nicht mal ein See. Sind die durchgeknallt – wo ist hier das Besondere?"

Ja hallo! Das besondere sind w i r – und der Rest ergibt sich dann.

Natürlich gibt der Bebbi zuerst mit den üppigen Schätze seiner Stadt dick an. Die Schätze hangen, stehen, stauben in den unendlich vielen Museen. Die Basler gehen da allerdings nur hin, wenn sie Besuch haben. Ein wenig aus schlechtem Gewissen sowie aus Tradition schreiben sie dann in ihren Testamenten (wie es der Urahne Basilius Ammerbach bereits 1585 vorgemacht hat), dass die kleine Dürrer-Zeichnung oder der alte Brueghel der Stadt und somit dem Museum gehören sollen.

Da wir in den Depots wegen solcher Erbanlagen nun keinen Centimeter freien Raum mehr haben, vermacht die neue Generation den Museen Aktien-Pakete. Damit können mehr Platz und noch mehr Museums-Bauten geschaffen werden. So kommt es, dass auf die Pro-Kopf-Zahl der Bevölkerung schon fast ein halbes Museum kommt.

Speziell an den Baslern ist auch dass sie zwar der Stadt Picassos und Sammlungen von Weltruf hinterlassen – dies aber auf gar keinen Fall an die grosse Glocke hängen wollen. In kaum einem andern Museum findet man so viele erlesene Kunstwerke, die mit dem Schildchen "anonymer Spender" bestückt sind, wie hier. Entsprechend zieht’s den Bebbi dann auch weniger zu seinen millionenschweren Kunstschwarten in die Museen als zur blühenden Iris-Sammlung der Gräfin Zeppelin in Brüglingen oder ins historische Palais "Kirschgarten", wo noch ein Hauch des zähen Basler Daigs über dem Tafelsilber schwebt. Im "Kirschgarten" atmet der Besucher diese Luft, die dem Bebbi am liebsten ist: das alte Basel. In den 50 Ausstellungs-Räumen wird die Wohn- und Tafelkultur der Burckhardts, Vischers und Merians, bref: der Nobilità vom Rhein im 18. Und 19. Jahrhundert demonstriert. Und natürlich ist auch das Schweizerische Farmaziemuseum im Totengässlein ein Geheimtipp – in diesem mittelalterlichen Haus ist schliesslich schon Erasmus ein- und ausgegangen …

Wenn Ignoranten von "Zürich als internationale Drehscheibe" reden, haben die Basler nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Einer Stadt, deren deutscher Bahnhof auf Schweizer Boden und der Schweizer Flughafen auf französischem Terrain liegt, muss man das Internationale nicht neu erfinden. Auf dem Campus der Novartis haben die berühmtesten Architekten der Welt ihre Bauten errichtet:über 7000 Menschen aus 100 Nationen forschen hier in einer futuristischen City - dies alles kaum einen Steinwurf von Frankreich und Deutschland, doch sehr, sehr weit von Zürich und Bern entfernt. Downtown Europe eben.

Nun versteht man vielleicht dieses besondere Bebbi-Herz, das am Rheinhafen immer wieder vom Fernweh überfallen wird, weil es hier das Meer rauschen hört. Das Herz braucht die Weite am Dreiländereck, wo einer mit zwei Schritten gleich drei Länder durchquert. Der Basler kann ohne Weitsicht nicht atmen – und der Blick zurück in die Schweiz ist mit Bergen und Beton verhangen.

A propos: beim Rheinhafen, inmitten dieser alten Getreidesilos, dem Basler Yachthafen, der kaum grösser ist als ein Hütchenspiel, hier, in diesem Niemandsland der Skurrilität ist nicht nur ein Museum für Brasilianische Kunst und Kultur – hier wartet auch ein "Sightseeing" der besonderen Art: das Rhein-Taxi. In kleinen Boten geniesst man das Gross- und Kleinbasler Panorama, kann sich auf eine der idyllischen deutschen oder französischen Rheininseln fahren lassen oder zwischen den riesigen Schleppern im Hafen rumtuckern.

Die Ambiente des "Kleinbasels" war schon immer speziell. Der immense Ausländeranteil macht heute das Quartier von der Feldberg- und Hammerstrasse bis zur Mustermesse zu einem Fleck, wo die alten Kleinbasler zur "species rara" geworden sind. Vor allem junge Menschen geniessen hier dieses Völkergemisch, die Bazars, welche ihre Türen bis lange nach Mitternacht offen halten – und diese alternative Kultur, die dann rund um das Kasernenareal ihren Standort findet. Da haben nicht nur Künstler ihre Ateliers, Musiker ihre Keller und die Theater-Szene ihre Bühnen – rund um das Klingental-Quartier findet man auch die erotischen Schwerpunkte für jeden Gusto. Und während auf dem gemütlichen Plätzchen vor dem Kasernenareal Wurstsalat und Wienerschnitzel serviert werden, schimmern vom Nebenhaus die roten Lichter des "Puffs".

Und wenn wir schon im Kleinbasel sind, so lohnt sich der Besuch in die Rheingasse: hier stösst man auf die zweitkleinste Brauerei Europas: die Fischerstube. Sie braut ihr eigenes Ueli-Bier. Wer aber die letzte grosse Bierhalle der Stadt besuchen möchte, der lässt sich den Gerstensaft auf der andern Seite des Rheins, im "Braunen Mutz" am Barfüsserplatz in den Humpen zischen.

Kleinen Besuchern ist die Rhein-Stadt eh unvergesslich – meistens schwärmen sie vom Zolli.

Zolli ist Zoo. Und Trämli ist Tram. Das ist auch so eine Eigenart des Baslers – alles was ihm am Herzen liegt, setzt er in die Verkleinerungsform und hängt ihm ein -li- an. Zürcherli gibt’s nur selten – Waadtländerli mehr. Das sieht man auch bei Abstimmungen. Das Basler Herz schlägt weniger an der Limmat als mit den Romands.

Zurück zum Zolli. Basel hat mitten in seiner Chemie zahlreiche Parks zu bieten – die Langen Erlen etwa. Sie sind der Alternativ-Zoo an der Wiese. Man geniesst hier eine der schönsten Hirschanlagen Europas – und berappt keinen Centime Eintrittsgeld. Das honoriert der Basler besonders (und setzt den Hirschpark dann ebenfalls in sein Testament ein).

Verträumt, fast schon ein Hauch von englischem Greenpark – so bieten sich die Kannenfeld-Anlage und die "Schützenmatte" an. Zum Kunstgenuss im Freien wird der Spaziergang durch den Berower-Park vor dem Beyeler Museum, wo ein haushohes Calder-Mobile sich vor dem Spaziergänger verneigt und Kelley weisse Plastik den Himmel kratzt. Auch die einstige Grün 80, kaum einen Steinwurf vom legendären Stadion der städtischen Architektur-Götter Herzog und de Meuron entfernt, lohnt immer einen Besuch – verschiedenste Gärten, ein englischer Landschaftspark, die erwähnte Iris-Blüten-Pracht und eine Fuchsientreppe mit über 250 Arten sind nur ein paar der blühenden Sensationen, die den Besuch in der grünen Lunge am Basler Stadtrand zu einem einzigartigen Naturerlebnis machen. Die Queen hat zum Opening der grünen Pracht eigenfüssig eine Blutbuche eingebackert. Der Baum ist tot – die Queen hat überlebt.

Vielen älteren Baslern ist das Leben ihrer Stadt heute zu hektisch – sie suchen Ruhe in all diesen den erwähnten Grünanlagen. Viele fahren auch auf den satten Rasen des Golf-Clubs, der natürlich wie das meiste Grüne dieser Stadt 15 Minuten hinter der Grenze im elsässischen Hagenthal liegt. Die Golfanlage zählt zu den schönsten Europas.

Auf die letzten Jahre hin spaziert der Bebbi auch immer mal gerne über das "Hörnli". So nennt er den grössten Friedhof der Schweiz. Dieser grenzt an die deutsche Waldgrenze. Und auch das ist typisch für die Einwohner dieser Stadt: selbst im Tode richten sie ihren Blick über die Grenze.

Die Stille hier tut den Baslern gut. Die Aussicht von der terrassierten Anlage auf die Stadt ist umwerfend – genau so packend wie das Friedhofsmuseum, das uns mit seinen skurrilen Exponaten und dem typisch schwarzen Basler Humor aufzeigt, dass selbst ein Basler, seine Stadt und all das Spezielle, was ihn und diesen Stadtkanton ausmacht, vergänglich sind …

Freitag, 18. April 2008