Perfektes in Rot-Weiss

Die 50er Jahre waren belegt - und die Brötchen waren es auch

Rezept: Canapés nach Itin-Art

Not macht erfinderisch. Fleisch war rar in den Kriegsjahren, also musste ein Ersatzprodukt her. Zunächst war das ein Brotaufstrich auf Hefebasis - später kam Leber dazu. Parfait!

Es war die Zeit, als Serviererinnen, die man Chasseuses nannte, Servicebretter vor dem Bauch balancierten. Darauf lagen wunderköstliche belegte Brote. Und immer so gegen vier Uhr trafen sich die Damen der Stadt in den Cafés. Die Chasseusen legten ihren «Belegte-Brötli-Parcours» hin. Und die Welt war mit Mayo dekoriert und in Ordnung.

Belegte Brote gabs zu jener Zeit auch am Heiligen Abend. Die Kinder durften beim Belegen der gebutterten Toastbrotschnitten helfen, während Vater Christkind spielte und heimlich den Baum schmückte. Noch kamen sie an Silvesterfeiern auf den Tisch - und natürlich an jeder dritten Einladung: «Wir machen etwas Einfaches … belegte Brötli …»

Beliebt beim Belegen waren: Schinken, Ei und kostbare Büchsenspargeln. Dann hat die Basler Brötli-Bar die Mischung von Mayonnaise, gehackter Zwiebel und Thon auf den Markt gebracht. Von da an wurden die Thonbrötli zum absoluten Renner - mit Tonnen von Paprika überschneit.

Notvorrat. Als Mutter die rote Tube (ohne die später ein Brötli-Znacht undenkbar gewesen wäre) erstmals andrückte, tat sie geheimnisvoll: «Das ist Gänseleber … sehr teuer … nur Königinnen bekommen so etwas Köstliches serviert.» Natürlich wollten wir Königin sein. Entsprechend schmeckte die zarte Mousse auf dem Brot märchenhaft.

Le Parfait hielt nun Einzug in die Schweizer Sandwich-Haushaltungen. Zvieri-Schnitten auf Dunkelbrot wurden damit bestrichen und mit gehacktem Schnittlauch gewürzt. Den Canapés gab man mit einem Tupfer aus der Tube den letzten Kick. Le Parfait machte jede Filet-Wellington-Füllung perfekt: Mutter kreierte aus angezogenen Zwiebeln, viel Peterli, gehacktem Ei und le Parfait einen köstlichen Pastenmantel, mit dem das Filet eingerieben wurde, bevor es in den Blätterteig gewickelt wurde.

Bald wurden auch Artischocken, Büchsenpfirsiche und harte Eier mit le Parfait gefüllt - das rot-weisse Wunder wurde zur unentbehrlichen Tube im Eiskasten. Es war auch der eiserne Notvorrat, wenn Vater nach der letzten Sechsertour noch ein paar BVB-Kollegen heimbrachte: «Meine Frau macht euch jetzt ein paar perfekte Schnitten … und ich hole das Bier!»

Fleischersatz. Die Erfolgsgeschichte der Parfait-Tube hatte ihren Anfang im Welschland. Genauer: im Industriegebiet von Fribourg. Es war 1942. Die Menschen hungerten nach Fleisch, denn das war während der Kriegsjahre rationiert und Mangelware.

Claude Blancpain, Chemiestudent und Industriellen-Sohn, machte die Entdeckung, dass Hefe ausgezeichnete Nährwerte in sich birgt: «Die müssen wir umsetzen und auf Hefebasis einen Brotaufstrich heraustüfteln, der den Menschen das Fleisch ersetzt.» Mit dieser Idee überzeugte Blancpain seinen Vater, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das mit seinen Nährstoffen den Menüplan der Familien ergänzen und bereichern sollte. Das Fleisch wurde durch Hefe und die tierischen Fette durch leichter verdauliche pflanzliche Zutaten ersetzt. Diesen Brotaufstrich produzierte die Dyna-Fabrik erstmals 1942 im Fabrikgebäude der Brauerei Cardinal.

Geheimrezept. Der vegetarische Fleischersatz wurde sofort ein Renner. 1945 wurde aus dem Unternehmen eine Aktiengesellschaft, und als nach dem Krieg der Engpass an Lebensmitteln vorbei war, suchte Claude Blancpain neue Wege. Zusammen mit seinem Partner Erwin Haag tüftelte er eine Sandwich-Creme mit Leber aus - und brachte das rot-weisse «Le Parfait» erstmals 1950 auf den Markt. Obwohl die Pâté mit Leber angereichert wird, besteht der Aufstrich noch immer aus 45 Prozent Hefe. Gewürzt wird mit Pilzen (Herbsttrompeten) und verschiedenen Gewürzextrakten. Geschmeidig gemacht wird die Tubencreme mit Pflanzenfett.

Der Coup traf ins Schwarze: Le Parfait wurde die perfekte Erfolgsstory. Speziell die junge Generation drückte da herzhaft auf die Tube. Im achten Jahr war die Nachfrage nach le Parfait so gross, dass Blancpain den Bau einer Fabrik an der Route de la Fonderie in Freiburg in Auftrag gab. Noch heute, 55 Jahre später, wird die Sandwich-Creme hier abgetubt - und noch immer nach dem alten Rezept, das nur wenige Leute kennen und das in einem Banksafe der Kantonshauptstadt verwahrt sein soll.

Mittlerweile hat die Originaltube Zuwachs bekommen: Die blau-weisse steht für Thonbasis, die grün-weisse für vegetarisch. Und die gelb-weisse signalisiert uns, dass der Brotaufstrich mit Geflügel angereichert ist.
Über 1000 Tonnen le Parfait werden jährlich in Fribourg fabriziert, heute unter den Fittichen von Nestlé. Aber noch immer in den alten Fabrikhallen. Und nach dem einstigen Rezept von Claude Blancpain ...

Canapés nach Itin-Art

Ab die Post. Greth Itin (im Bild) hat «le Parfait» immer mal wieder für ihre berühmten Canapés und Platten-Décors verwendet. Die Basler Weltmeisterin der «kalten Küche» ist für ihre Kreationen weit über unsere Grenzen hinaus berühmt. Für die baz-Serie hat sie le Parfait nach Itin-Art umgemodelt - und einen Canapé-Aufstrich damit kreiert, der jede Canapé-Platte «parfait» macht.

Zutaten. 400 g le Parfait original (2 rot-weisse Tuben), 2 El grüne Pistazien, 2 El Baumnüsse, 2 El Erdnüssli, 1-2 El Rosinen, 2-3 El Frischrahm, Pfeffer aus der Mühle, Cognac.

Zubereitung. Le Parfait in eine Schüssel geben. Rosinen in Cognac einlegen. Wenn sie aufgegangen sind: halbieren. Pistazien, Erd- und Baumnüsse mittelfein mixen. Alle Zutaten zum le Parfait geben - ebenso Rahm und etwas Cognac - und die Sache zu einer homogenen Masse verrühren.
In den Spritzsack abfüllen - und ab geht die Post …

P.S. Schmeckt ganz besonders gut auf dunklem Brot als Sandwich-Aufstrich.

Rezeptkategorie: 
Freitag, 18. November 2005