Süsse Schaumschlägerei

Das beliebteste Schaumgebäck ist politisch höchst unkorrekt

Rezept: Zuckersüsse Dekoration zum Anbeissen

«Mohrenköpfe» darf man nicht mehr sagen. Dieser Ausdruck ist diskriminierend. Heute heissen sie «Choco-Köpfli». Politisch korrekt.

Die Romands lösten das Problem elegant: «Tête de Nègre» wurde «Tête de Chocolat». Die beissen längst korrekt rein. Nur bei uns hält sich der Ausdruck Mohrenkopf hartnäckig.
Wobei sich im Gegenzug natürlich die Frage stellt, ob die bleichen Mailänderli mit der gepinselten Eierschicht nicht auch rassistisch sind. Und das Japonais mit dem braunen Tupfer? Oder nehmen wir den Pariser. Ist es politisch korrekt, die männliche Pariser Bevölkerung mit einer verschrumpelten Schutzgummimasse gleichzusetzen? Fragen über Fragen.

Zurück zum Mohrenkopf, den wir diesen Bericht hindurch so nennen wollen, weil uns ganz einfach keine 37 Synonyme dazu einfallen. Und diese die Geschichte auch politisch unkorrekt wiedergäben. Denn tatsächlich hat er seinen Namen aus der Zeit Ende des 19. Jahrhunderts, als der säbelrasselnde Willhelm II. Gebiete in Afrika annektierte. Und eben zu jener Zeit soll ein deutscher Konditor seinem Schaumgebäck den Namen «Mohrenkopf» gegeben haben. Ein Begriff, der verkaufstechnisch zwar hinhaute - aber eben politisch total unkorrekt war.

Nachholbedarf. Max Währen, «Brot-Historiker» aus Bern, hat herausgefunden, dass das erste Schaum-Mohrenkopf-Rezept von einem gewissen U. Cnyrim 1899 im Buch «Bäckergewerbe der Neuzeit» publiziert wird. Das Rezept lehrt uns allerdings das Grauen: 200 Gramm Zucker und 12 Eigelbe, alles schaumig verrührt, werden mit Eischnee von 24 Eiweiss und 400 Gramm Mehl vermischt. Man gibt eine beliebige Konfitüre unters Ganze. Und taucht die Sache mit einer Gabel in gekochte Schokoladenglasur. Dann abkühlen lassen und reinbeissen. Na ja.

Tatsächlich erleben die Mohrenköpfe, wie wir sie heute geniessen, ihre Blüte erst nach dem Zweiten Weltkrieg. «Vor 50 Jahren», so erinnert sich Othmar Richterich, der in seinem Laufner Familienbetrieb die «Têtes de Chocolat» bereits in der 3. Generation herstellt, «nach dem Krieg also, herrschte ein grosser Nachholbedarf an Süssem. Der Mohrenkopf war diesbezüglich die kulinarische Offenbarung: Eiweiss, Zucker und Glykose auf Waffelbödeli dressiert und mit Schoggi übergossen wurde der Himmel süsser Lustgefühle. Das Innenleben des Mohrenkopfs entspricht nämlich der rohen Meringuemasse. Und auch Meringues hatten damals Hochkonjunktur …»
Richterich nennt sein Produkt weiterhin Mohrenkopf, und zwar «mit Absicht»: «Heikel ist nicht der Name, sondern was man damit verbindet.»

Mehlallergie. In unserer Region gelten die Richterich-Mohrenköpfe im legendären Goldstanniolmantel als «simply the best». Sohn Othmar erzählt: «Mein Vater hat zwar Bäcker gelernt, hat aber in der Keramikfabrik gearbeitet. Aber er konnte es nicht lassen. In seiner privaten Werkstatt fabrizierte er Nussgipfel, Cornets - einfach Backwaren.» Tatsächlich lief das Nebengeschäftlein bombig, so dass er Ende der 30er Jahre mit einem grössern Betrieb anfing. «Ich stieg als Lehrling ein, doch ich bekam eine Mehlallergie. Daraufhin stellte mein Vater die Bude sofort auf ‹Schokoladenfabrikation› um. Hier kreierte er die ersten Schoggistängel, die mit Fondant gefüllt waren. Und auch die legendären ‹Likör-Schoggifläschli›, bei denen ich später ein neues Verfahren heraustüftelte, das den Kristallzuckermantel ersparte und auf diesem Gebiet revolutionär war …»

Kurz vor dem Krieg wurden dann auch die ersten Richterich-Mohrenköpfe noch von Hand dressiert: «Da war mein Vater geschickter als ich. So habe ich später eben eine Apparatur anfertigen lassen, die mir die Dressierarbeit abnahm. Das war unsere erste Mohrenkopf-Anlage …» Nach den Kriegsjahren, während denen Zucker und süsse Rohmaterialien nicht aufzutreiben waren, kam dann die Hausse: Mohrenköpfe funkelten in allen Restaurants (zusammen mit den Stanniol-Waffeln im Körbli), in Konditoreien und Lädeli.

Ein Renner. Schmunzelnd erinnert sich Othmar Richterich: «Wir haben seinerzeit nicht selten zehn solcher Mohrenköpfe am Tag vertilgt - der Heisshunger auf Süsses war enorm. Heute schaffe ich gerade noch einen …» Immerhin: Die Produktion der Richterich-Mohrenköpfe hat die Millionengrenze längst überschritten. Tendenz steigend. Die goldverpackten Schaumdinger sind zum süssen Renner aus der Region geworden.

Als besondere Exklusivität bietet Richterich in seinem Fabrikladen in Laufen auch Osterhasen und Santigläuse mit der Mohrenkopffüllung an: «Wir produzieren neben den Mohrenköpfen vor allem Schokoladefiguren aus Formen, die wir selber kreieren. Dann natürlich Pralinés und die Schnapsfläschli wie einst. Aber die Mohrenköpfe sind das Hauptgeschäft - auch wenn man sie heute nicht mehr beim Namen nennen darf.»

Zuckersüsse Dekoration zum Anbeissen

Stadtbekannt. In Basel ist die «Zuckerbäckerei» eindeutig mit dem Namen «Markus Krebs» verwoben. Der Bäcker-Konditor mit seinen traumschönen Zuckerkreationen hat uns ein Dessert herausgetüftelt, das jeden «Mohrenkopf» zu einem Kunstobjekt macht. Et voilà:

Zutaten für die Dekoration:
100 gr. Puderzucker, 30 gr. Eiweiss, ein Spritzer Zitronensaft.

Zubereitung:
Alle Zutaten mit dem Stabmixer gut verrühren, bis die Masse schön steif ist. Nun kann man die Masse nach Wunsch mit Lebensmittelfarbe einfärben. Jede Farbe einzeln in einen Spritzsack abfüllen. Und damit die Mohrenköpfe dekorieren. Natürlich kann man einen solchen Mohrenkopf in einen «Früchtespiegel» stellen und mit Beeren ausgarniert als Dessert servieren. Oder aber man kann die süsse Kreation als Tischdekoration verwenden.

P.S. Zuckergarnituren können auch auf Vorrat zubereitet werden. Man spritzt Figuren, Ornamente oder Blumen auf Backpapier. Nun lässt man alles mehrere Tage bei Zimmertemperatur trocknen.
Die Zucker-Kunstwerklein bleiben monatelang haltbar.

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Freitag, 20. Januar 2006