Schock mit dem Stock

Wie «Stocki» die Kartoffelstock-Ära revolutioniert hat

Rezept: Härdöpfel-Dätschli nach André Karlen

Die Hausfrauen der 60er Jahre waren allem Küchen-Modernen aufgeschlossen - vor allem, wenn es die Arbeit am Herd erleichterte. So wie «Stocki», das erste Fertiggericht von Knorr.

Kartoffelstock - das war früher ein Sonntagsessen. Das Schöne: Kartoffelstock ist auch heute noch ein Sonntagsessen.
Ob Alt oder Jung, Körnlipicker, Gourmet oder Gourmand, ob Männlein, Weiblein oder Kind - Kartoffelstock stimmt immer. Ein Kartoffelstock wird von kaum einem Gast zurückgewiesen.
Im Gegenteil - besonders ältere Menschen schätzen den Stock. Erstens wegen der Beisserchen, die da mühelos durchwalken. Und zweitens, weil ein Ehepaar für sich selber kaum mehr Härdepfelstogg (wie er in Basel heisst) zubereitet. «Der Aufwand ist zu gross», hört man überall.
Das ist natürlich lächerlich. Denn auch die Zubereitung eines Kartoffelstocks «nach alter Art» dauert nicht allzu lang.

Unvergleichlich. Früher gabs zum Kartoffelstock meistens Sauerbraten. Und die heisse Diskussion um den See. Mutter war der Sturm in den Stockwellen: «Wer hat nur diesen Blödsinn mit dem Saucen-Seelein erfunden. Das ist doch nicht ‹comme il faut›. Wäre mal gespannt, was Herr Knigge zu diesem verstockten Seen-Spleen sagen würde …?» Sie schickte genervte Blicke zu Onkel Alphonse. Der aber baggerte sich seelenruhig seine Kartoffelstock-Portion mit dem Löffel aus, schüttete Sauce hinein und stellte die Schwägerin in den Senkel: «Lotti, dein Stock klebt im Hals wie Uhus Kleister. Rühr genügend Butter unter das Püree! Ansonsten musst dus schon schlucken, dass wir den Klebematsch mit Sauce aufweichen …»

«Schaut mal her, Kinder», kicherte die Kembserweg-Omi und gab ihr Letztes, um das heikle Thema zu wechseln. Sie schob drei Erbsen auf die Gabel. Zum Kartoffelstock und Braten gehörte nämlich die Erbs-mit-Rüebli-Mischung (mittelfein - aus der Büchse) wie das Amen zum Gebet. Die Omi spickte nun also mit der Gabel die Erbsen in den Saucen-See: «Das hat mir ein deutscher General beigebracht», strahlte sie, «der nennt das: ‹Erbsen versenken!›» Sofort baggerten und versenkten wir auch. Mutter sass da wie einer dieser Hunde, deren Augen immer tränen: «Also von meiner Seite haben die Kinder das nicht …»

Offen für Neues. 1960 wurde die Kartoffelstock-Zeit revolutioniert. Für die einen wars der grosse Schock. Für die andern: stock-irrsinnig! Die Revolution kam von Knorr. Die Firma propagierte damit ihr erstes Fertiggericht: «Stocki». Man musste die Flocken nur noch in heisses Milch-Wasser-Gemisch rühren - fertig!

Die Hausfrauen der 60er Jahre waren allem Küchen-Modernen aufgeschlossen - vor allem, wenn es die Arbeit am Herd erleichterte. «Stocki» war in diesem Sinne genau so revolutionär wie die Anrührsuppen. Oder Nescafé aus der Tube. Nun wollte sich unsere liebe Mutter aber nicht nachsagen lassen, sie sei ein faules Mädchen. Und möge keine Kartoffeln schälen. Immer am Sonntag (wenn die Jungmannschaft nach dem Essen abwaschen musste) stiessen wir in der Küche auf ein paar verstreute Kartoffelschalen. Erst Jahre später, als wir auch das «Stocki»-Päckchen im Mistkübel aufstöberten, merkten wir, dass Mutter uns gelinkt hatte. «Na ja», lächelte sie, als wir triumphierend den zerknüllten «Stocki»-Karton in die Stube trugen, «so schlecht kanns ja nicht sein, wenn ihrs erst jetzt gemerkt habt.»
Damals habe ich gemerkt, dass es bei der Zubereitung von «Stocki» zwei Dinge zu beachten gilt: Man lässt ein paar Kartoffelschalen neben dem Herd liegen. Und man verändert nichts, aber auch gar nichts am «Stocki»-Rezept.

In jedem Fall echt. Viele wollen die Sache verfeinern. Nehmen Rahm statt Milch oder geben vierfach Butter darunter, damit keiner den Trick merken soll. Das ist Blödsinn. «Stocki» wurde 1960 so geschickt ausgeklügelt, dass der Stock, so man sich ans Rezept hält, luftig und bestechend echt schmeckt. Echt ist er allerdings in jedem Falle - denn für «Stocki» wurden ganz spezielle Kartoffelsorten ausgesucht, die auch heute noch vorwiegend im Fribourgerland angebaut werden.

Die Zubereitung der «Stocki»-Flocken ist einfach: Die Kartoffeln werden gewaschen, geschält und gekocht. Dann kommen die restlichen Zutaten in die Riesenpfannen. Schliesslich wird dem Stock mittels Walzentrocknung die Flüssigkeit entzogen. Und alles verpackt. Fertig.
Natürlich gibt es heute auf der ganzen Welt ähnliche Arten von Schnell-Kartoffelstock. Die Zubereitung ist praktisch immer dieselbe - aber die Unterschiede zeigen sich bei der Auswahl der Kartoffelsorten.
Anne Zwyssig von Knorr verrät dabei so viel: «Diese Auswahl unserer Schweizer Sorten bleibt geheim, aber wichtig ist: Es sind Kartoffeln allerbester Qualität. Die Zubereitung der Flocken erfolgt in einem dafür spezialisierten Unternehmen in der Schweiz!» Na also - bleibt nur noch, das Päcklein ins Milch-Wasser-Gemisch reinzubeseln. Und ein paar Kartoffelschalen zu verstreuen...

Härdöpfel-Dätschli nach André Karlen

Überredet! Als wir Hilton-Küchenchef André Karlen mit «Stocki» konfrontierten, schlug er zuerst das Kreuz: «Das kommt bei uns nicht in die Pfanne - wir verwenden nur Frischware. Und pürieren die Kartoffeln noch selber zu Stock.» Später hat sich der Aufsteiger unter den Jungköchen aber überreden und von Stocki zu einigen Rezepten inspirieren lassen («das schmeckt gar nicht schlecht!»). Eines davon haben wir für baz-Leserinnen und -Leser herausgesucht und nachgekocht. Nicht schlecht? - Es schmeckt göttlich!

Zutaten:
250 g fertiges Stocki, 4 Schlumbi/Weggli (vom Vortag), 1 dl saurer Rahm, 2 Eier, 1 grosse Zwiebel (gehackt), Peterli (fein gehackt), 200 g Ricotta (oder Magerquark), 200 g RegioMutschli (aus dem Baselland) oder Bergkäse, 70 g Kartoffelstärke (oder Maizena), 110 g Mehl, Salz, Muskat, frisch gemahlener Pfeffer, Butter.

Zubereitung:
Schlumbi in feine Scheiben schneiden und in eine Schüssel geben. Sauren Rahm mit Eiern vermischen und über Schlumbi giessen. Mengen und ziehen lassen. Käse in kleine Würfeli schneiden (oder fein reiben). Die aufgeweichten Schlumbi nun abtropfen, «zerpflücken» und mit dem Kartoffelstock, Zwiebeln, Peterli, Käse und Ricotta (Magerquark) gut vermengen. Mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. Mehl und Kartoffelstärke beimengen und nochmals gut mischen. Olivenöl erhitzen, etwas Butter beigeben und die Masse Löffel für Löffel ins heisse Öl geben. Die einzelnen Dätschli flachdrücken. Und goldbraun ausbacken.

Rezeptkategorie: 
Freitag, 5. August 2005