Raphael Blechschmidt und Peter Potoczky: «Es ist immer wieder ein neues Erobern - auch nach vielen Jahren noch»

Foto: Lucia Hunziker

Sie sind das Vorzeige-Männerpaar. Viel Herz. Viel Kultur. Viel Spass. Und vor allem: eine Tischbombe voller Kreativität.

Peter Potoczky winkt ab: «Sagen wir es so - Raphi ist der kreative Kopf. Wild. Wie seine Mähne. Ich bin da eher strukturiert. Und schaue, dass die Dinge nicht chaotisch ausufern. Der Kaufmann eben!»

Ich treffe die beiden im Rebhaus zum Lunch: Salat... Pasta... Dolce.

Kocht ihr auch? Und die Gloria-Frage: Wer ist der bessere Küchenchef? Beide: «ICH.»

Raphael Blechschmidt relativiert jedoch schnell: «Peter kocht wunderbar. Aber er ist viel auf Reisen. Dann muss ich an die Töpfe. Wenn er hier ist, zaubert er in unserer Malzgasse-Küche Köstlichkeiten aus aller Welt auf den Tisch. Er ist wirklich der Kreativere am Herd Und vor allem: Die besten Ideen kommen uns beim Kochen!»

Wo habt ihr einander überhaupt kennen gelernt?

Kleine Pause. Dann grosses Gelächter. Und: «...das binden wir doch niemandem auf die Nase!»

Peter: «In der St.-Alban-Vorstadt. So viel dürfen wir verraten...» Es kommt der Salat. Und somit der gewünschte Themenwechsel.

Ihr feiert ja bald einmal so etwas wie die «silberne Hochzeit». Und natürlich werdet ihr immer gefragt: «Wie schafft man es, so lange happy zusammenzubleiben?»

Raphi nickt: «Die Frage kommt immer wieder. Und es gibt wohl kein Rezept. Liebe tönt zu rosig. Aber ich denke, die Begriffe Toleranz, Vertrauen und lange Leine bringen es...»

Peter ergänzt: «Und natürlich die Distanz. Wenn nicht gerade Corona wütet, bin ich die meiste Zeit weg. Divertimento gleist jährlich 21 Reisen auf. Mit den Vorbereitungen bedeutet dies: Gut die Hälfte des Jahres bin ich irgendwo im Ausland... Das gibt Distanz... Und macht eine Beziehung irgendwie prickelnd. Es ist immer wieder ein neues Erobern. Auch nach vielen Jahren noch.»

Peter Potoczky ist im Allgäu aufgewachsen: «Tiefe Provinz. Aber mit einem bravourösen Chor. Da habe ich schon vor dem Stimmbruch gesungen. Wir hatten einen wunderbaren Chorleiter. Und durften auf Konzerttourneen durch die Welt. Das war mein Leben: Musik... Reisen... Kultur. Mein Vater sah das etwas anders. Er wollte einen Versicherungsmann aus mir machen. Die Singerei, wie er es nannte, war nicht so sein Ding...»

Du hast dich aber durchgesetzt - und später in Nürnberg Operngesang studiert...

«Ich startete als Bariton. Später wechselte ich ins lyrische Fach. Doch ich merkte bald, dass ich viel zu viele andere Interessen und wohl auch Begabungen hatte als nur den Gesang. Also dachte ich um. Und hatte Glück. Wie die Jungfrau zum Kind wurde ich ins Organisationsteam des Internationalen ARD-Wettbewerbs der deutschen Rundfunkanstalten berufen. Der Concours brachte Preisträger wie Jessye Norman und Heinz Holliger hervor... So bekam ich auch Kontakt zum Jugendorchester Deutschland. Und war dort sieben Jahre lang logistischer Leiter. Heute öffnen mir diese Kontakte die Türen zu den grossen Konzert- und Opernhäusern...»

Und Basel?

«Nun - Mario Venzago, damals Chefdirigent der AMG, holte mich als seine rechte Hand. Der Lohn stimmte. Also packte ich mein Köfferchen. Und kam an den Rhein...»

Du hast dann für die Abonnenten der AMG auch Kulturreisen organisiert...

«Ja. Das hat gross eingeschlagen. Und 2006 dachte ich: So, jetzt machst du dein eigenes Ding. Und gründete Divertimento Kulturreisen. Die erste Reise ging an die Scala...»

In Basel habt ihr euch kennen gelernt. Raphi war da schon ein grosser Couture-Star...

«Als erstes Weihnachtsgeschenk habe ich Peter ein Couvert mit Räppli gefüllt. Drin steckte ein Bon für ein Fasnachtskostüm. Und was denkst du, hat sich Peter gewünscht?»

Eine alte Tante?

«Eben nicht. Einen Waggis! AUSGERECHNET! Ich habe ihm dann das Kostüm genäht. Und eingehämmert: Rede 72 Stunden kein Wort. Die Toleranz der Basler geht an der Fasnacht baden!»

Du selber hast in Basel viel Toleranz erlebt - dein «Schwulsein» war kein Thema.

«Die Basler sind da immer offen gewesen... Und meine Eltern unterstützten mich.»

Ich erinnere mich, wie sie für deine ersten Modeschauen vor 25 Jahren Canapés für die Gäste gestrichen haben... wunderschön. «Als es über 1200 Zuschauer wurden, mussten wir umdenken. Und ein Catering einschalten - das war für meine Eltern nicht einfach.»

Du hast das Bäumlihof-Gymnasium besucht. Die Kunstgewerbeschule. Weshalb Couture?

«Ich habe schon als junger Mann meine Kleider selber genäht. Das Kreative brodelt in mir. Ich muss entwerfen, schneidern, meine Ideen verwirklichen...»

Aber ist Couture heute überhaupt noch überlebensfähig?

«Sie wurde immer wieder totgesagt. Und natürlich hat sie sich verändert. Früher erkannte man die grossen Häuser am Schnitt ihrer Couturiers. Heute kennt keiner mehr die Namen der Schneider - nur die Labels. Labels sind alles. Man verzettelt sich in Accessoires. Und macht das grosse Geld damit. Die Qualität hat man aus den Augen verloren. Das ist traurig...»

Dennoch gibt es viele Jungdesigner... «Ja. Aber keiner kennt sie. Die grossen Häuser holen sie für drei, vier Jahre. Quetschen sie aus. Und das wars dann...»

Also keine Nachhaltigkeit.

«Haute Couture ist ganz bestimmt nachhaltig. Meine Kundinnen bringen nach 20 Jahren ein Kleid, um es ändern zu lassen. Qualität überdauert - die schnelle Mode ist morgen schon gegessen.»

Ihr macht aus Raphis Modeschauen stets einen feurigen Event. Für den neusten Katalog habt ihr die Sea Cloud gechartert. Und seid mit dem ganzen Tross nach Las Palmas geflogen - ein Riesenaufwand, der durch Peters enge Kontakte zur Reederei möglich wurde.

«Die Synergie stimmt. Wenn Peter später mit seinen Divertimento-Gästen auf eine Reise mit der Sea Cloud geht, tragen die Ladys hoffentlich meine Kleider.»

Und die Modeschau?

«Wir gehen Ende Monat, also am 31. März, auch in Basel aufs Schiff. Und präsentieren an einer Liveshow die neue Collection. Mittags und nachts auf dem Rhystärn.»

Ihr seid über Fasnacht weg gewesen. Als grosse Fasnächtler. Schmerzt das nicht?

«Als ich merkte, dass meine Arbeit im Comité die Arbeit der Modeschauen beeinträchtigt - Fasnacht und Frühlingsmodeschau fallen ja zeitlich zusammen -, da habe ich mich zurückgezogen. Heute geniesse ich es, vom Schneidertisch im Atelier dem Treiben zuzusehen.»

Nun lachen beide: «Am Fasnacht-Mittwoch sind wir mittags von den Modeaufnahmen in Las Palmas zurückgekehrt. Und haben uns als Erstes im Latini an einem Fensterplatz diese aussergewöhnliche Fasnacht 22 angeschaut.»

Vorlieben und Abneigungen

Sie mögen beide: Klassische Musik… Museen… Kultur… Reisen und Tauchen.
Sie mögen nicht: Gendersternchen («Meistens werden sie als politisches Werkzeug missbraucht»… Egoismus und persönliche Nabelschau («Man hat kein Gemeinschaftsdenken mehr»)… aggressives Diskutieren… und Unzuverlässigkeit («wohl berufsbedingt – in unsern beiden Berufen ist Unzuverlässigkeit Gift»).

Foto: Lucia Hunziker

Samstag, 26. März 2022