Ausgebremst

Die Hitze stieg ins Unerträgliche.

Die Hofhühner legten die Eier nur noch gekocht – und die Regenwürmer jammerten, ihre Saison sei total zur Sau!

Vera war stinkig.

«Es tut dir gut», hatte Hans gesagt. Und sich sein Sonnenhütchen geschnappt – ein ­lächerliches, senfgelbes Mützchen mit ­eingewobenem ­Zierschrift-Spruch: «Das Sonnenkind – Dir Liebe bringt».

Das Ganze war ein Schnäppchenkauf in Mallorca gewesen – auf der deutschen Partymeile.

Drei Wochen lang hatte es geregnet – Mallorcas Sonnenhütchen wurden deshalb auf den halben Preis gestutzt.

Nie hatte sich Vera den Regen Mallorcas heisser herbeigewünscht als bei diesen 37 Grad hier in den Alpen.

Hans schaute sie erwartungsvoll an: «Bereit?»

Er klopfte ihr auf die Arschbacken (etwas, das sie hasste) und meinte gutmütig: «Ein bisschen ­Laufen wird meinem Muttelchen guttun!»

MUTTELCHEN!

Ihre Innentemperatur stieg sofort auf satte 90 Grad.

Vera war nun mal nicht der läufige Typ.

Die ganze Familie zeigte sich auf der sportlichen Seite. Alle Velofahrer. Jogger. Biker.

Sie aber war das Muttelchen, das selbst den Trip zum Bäcker mit dem Auto erledigte.

Natürlich musste sie sich die Hucke vollschwafeln lassen: «ABER OMI – WEISST DU, DASS DAS OZONLOCH WÄCHST UND WÄCHST UND WÄCHST…»

«Ja», knurrte sie, «und mein VW läuft … und läuft … und läuft … aber i c h will fahren!»

Die beiden zogen nun los. Es war bei dieser ­Affenhitze kaum jemand auf dem Wanderweg.

Manchmal kreuzte sie ein Bio-Bauer im Jeep. Vera war «pro Bio» – besonders mochte sie den klimatisierten Bio-Jeep. Sehnsüchtig schaute Vera dem gekühlten Bio-Bauern hinterher…

Hans hatte jetzt sein Marschtempo drauf.

Ohne Rücksichten. Schon gar nicht auf sie.

Vera hatte einfach sein Schritttempo einzuhalten. AMEN!

Sie keuchte. Und dachte sehnsüchtig an den ­Nieselregen von Mallorca. Von wegen: sonnige Insel. Geschüttet hatte es, dass es eine Freude war! Jeden Morgen hatte Hans miesig vor dem Fenster gestanden. Und auf das graue Meer gestiert: «…und wieder kein Dünen-Biking, Vera!»

Sie hatte stumm allen Heiligen gedankt. Und sich nochmals in den Federn gekehrt: «Es hat auch sein Schönes, Hans!»

Nun ging Hans vor dem Wildbach in die Knie… wieder hoch… in die Knie… wieder hoch.

Er schaute Vera erwartungsvoll an: «Na? Täte das meinen Muttelchen nicht auch gut…?»

Sie zeigte ihm eben den Stinkefinger, als er zusammenzuckte. Und brüllend etwas von seinem muskulösen Arm wedelte.

ES WAR EINE BREMSE.

Dass es die noch gab? Bremsen waren die ­Blutsauger der übelsten Sorte – «wie das ­Kapitalistenpack!», hatte ihr Vati immer gesagt. (Der Vati politisierte links aussen).

Und dann hatte er Mutti böse angeglotzt: «Es sind nur die Weibchen, welche so hinterlistig los­stechen. Die Männchen sind friedlich!»

Mutti hatte gelächelt: «Wie schön für die Mädels!»

Hans wurde nun weiss. Dann rot. Er begann zu keuchen. Und flüsterte: «Ich muss in die Notfall, Vera… keine Luft mehr…»

AUSGEBREMST!

Sie alarmierte den Sohn über Natel. Zwanzig Minuten später jagte dieser mit seinem Vater zum Notfallarzt. Der Doktor zog die Spritze auf: «Sie sind allergisch gegen Bremsen, lieber Mann … Sie sollten nicht in der wilden Natur herumlaufen!»

Vera machte dann hinter dem Rücken das V-Zeichen.

Und sprach alle weiblichen Bremsen heilig.

Montag, 27. Juli 2015