Besetzter Platz

«Unser Platz ist besetzt!»

Elsie blieb ganz kurz vor dem Lindenbaum stehen.

Sie bebte vor Entrüstung.

«Und dann noch von so einer…»

UNAUSGESPROCHENES SCHWIRRTE IN DER LUFT. ES WAR EIN SCHÖNER TAG.

ABER RUND UM ELSIE DONNERTE UND BLITZTE ES.

«Walter – sag etwas. Glotz nicht einfach blöd herum…»

Walter äugte zum Lindenbaum. Und was sich darunter die Beine salbte, gefiel ihm gut.

AUSNEHMEND GUT!

Er zog unwillkürlich den Bauch ein. Zwirbelte seinen Schnauz in Eroberungsposition. Und tätschelte Elsie den Arm:

«Jeder hat das Recht, Elsie…»

«ABER NICHT AUF M E I N E M PLATZ, WALTER! DER BAUM IST DER EINZIGE SCHATTENSPENDER IN DIESEM GARTENBAD!»

Sie waren meistens die ersten Gäste im Freibad.

Heute aber hatte Gertrud angerufen. Es wurde ein langer Tratsch.

Das Resultat: DER SCHATTENPLATZ UNTER DEM BAUM WAR WEG.

«Wir könnten ja daneben…», versuchte es Walter. Es blieb beim Versuch:

«DAMIT DU WIEDER DEN DON JUAN RAUSHÄNGST! NEIN. DU HUSTEST D E R JETZT MAL GEFÄLLIGST DIE MEINUNG…»

Er tat es nicht. S i e tat es:

«Das hier ist u n s e r Platz. Seit Generationen. Und…»

«Oooh…», schaute das junge Mädchen erschrocken auf, «… ich rutsche ein bisschen auf die Seite. Wir haben alle Platz…»

Elsie hyperventilierte: «NEIN, HABEN WIR NICHT. WIR SIND HIER IMMER ALLEINE.

A.L.L.E.I.N.E!»

Walter hatte den Bauch eingezogen. Das kostete viel Energie und Luft.

Jetzt: «Elsie meint es nicht so … Darf ich Ihren Rücken eincremen, schöne Frau?!»

«WALTER!»

Als Walter noch als Streifenpolizist in Uniform herumfuhr, hatte er viele Rücken eingerieben.

Vorher immer: Schnauzgezwirbel. Und Ranzen rein …

Konnte er nicht landen, war die Frau für ihn erledigt. Kein guter Faden liess er jetzt an ihr: «Ganz miese Schlampe …!»

DA WAR DANN FERTIG MIT SCHNAUZGEZWIRBEL …

Walter breitete die Badedecke aus. Und klappte die Picknickstühle auf.

«WALTER… ICH ERTRAGE KEINE SONNE. DU WEISST ES!»

Es war ihm neu.

Aber da kramte die junge Frau einen Miniaturschirm aus ihrer Badetasche: «Man kann den auf den Kopf schnallen … Hilft Ihnen das?» Elsie war überrumpelt. Drei Minuten später hockte sie mürrisch im Campingsessel.

Über dem Kopf ein aufgeklapptes Schirmchen.

Wenn ihre Nerven Tango tanzten, konnte sie sich nur mit Süssem beruhigen. Gottlob hatte sie ein paar von ihren frisch gebackenen Ingwer-Sablés dabei und…

«Oooh, Sablés», sperrte das Mädchen jetzt die Augen gross auf.

«Mit Ingwer!», knurrte Elsie. Und: «Hausgebacken! Unsereins hat immer etwas zu tun…»

Sie streckte dem Mädchen eines der Biscuits hin: «Da!»

Es schaute sie lange an: «Sie sind eine wunderbare Frau. So eine Mutter hätte ich mir gewünscht. Meine backte nie – nur an ihrer Selbstverwirklichung. Darin war sie gross…»

So kamen die beiden ins Gespräch.

Walter nahm einen zweiten Anlauf. «So einen schönen Rücken darf man nicht ungesalbt der Sonne überlassen, schönes Kind!»

Das schöne Kind lächelte Elsie zu: «Würden S i e vielleicht…»

Am Abend tätschelte Elsie den Arm der jungen Frau: «Bis morgen also – ich bringe dir von meinen Frikadellen mit…»

Auf dem Heimweg lächelte sie: «So ein nettes Mädchen!»

«GANZ MIESE SCHLAMPE!» – knurrte Walter.

Freitag, 6. Juli 2018