Getrennt schlafen

«ARMLEUCHTER… VOLLDEPPEN!» – Karl knallte die Zeitung auf den Tisch, sodass die Konfitüre fröhlich aus dem Schälchen spritzte.

«SCHLECHT GESCHLAFEN», dachte Lydia.

Dann sagte sie das, was sie seit 50 Jahren schon sagt, wenn es bei Karl nichts zu sagen gibt: «Na …na …na!»

Der: AB ZUR DECKE. ABER GANZ NACH OBEN!

«Waaas ‹nanana› …», äffte er sie bissig nach. «Nichts ‹nanana›. Ich sage dir, diese Schreiberlinge sind alles Volltrottel … SIE GLAUBEN IN IHREM GRÖSSENWAHN, UNS LESER INTERESSIERE IHRE MEINUNG. TUT SIE NICHT! Wir wollen keine politisch gefärbten Kommentare. Wir wollen glasklare F.A.K.T.E.N.!»

«VERMUTLICH WIEDER DIE KNIEGELENKE!» – dachte Lydia, «DAS MACHT IHN STINKIG!»

Seit Karl in den Knien Schmerzen hatte, humpelte er nachts in der Wohnung herum. Er löste stöhnend Kreuzworträtsel am Küchentisch. Und seufzte in seinem Leid so durchdringend, dass selbst das Basilikumstöckchen auf dem Balkon die Blätter hängen liess.

So auch vergangene Nacht.Natürlich schlief Lydia wieder nicht.

Sie lauschte, ob das Gejammer am Abklingen wäre. Doch als sie schon fast wieder in den Schlaf fallen wollte, polterte es aus der Küche: «WAS IST DENN NORDISCHE GOTTHEIT MIT DREI BUCHSTABEN, WENN NICHT «ASE»…?»

Lydia atmete jetzt tief durch:

«Karl – ich glaube wir sind in einem Alter, wo wir getrennt schlafen sollten…»

ER SCHAUTE ENTSETZT AUF: «WAS SOLL DAS JETZT WIEDER…»

«Wenn du nachts aufstehst und herumtigerst, bin ich sofort hellwach…»

«NIMM OHROPAX!»

Sie wurde etwas lauter: «Das w i l l ich nicht. Mein Herz hämmert danach wie ein Presslufthammer im Kopf…»

«ICH SAG DIR JA IMMER – SCHÜTT’ EIN GLAS WEIN REIN. DANN PENNST DU WIE EIN GOTT. ABER NEIN. ES MUSS STETS DIESER GRÜNE BERUHIGUNGSTEE SEIN…»

Sie holte tief Atem. Dann: «Bei deinem Herumgepolter nützen auch zwei Fass Burgunder nichts – nur ein eigenes Schlafzimmer!»

Wieder entsetzter Blick von Karl: «UND WAS SOLLEN DIE KINDER VON UNS DENKEN…?»

Lydia zählte stumm auf zehn. Dann: «UNSERE KINDER SIND SEIT 30 JAHREN AUS DEM HAUS, KARL. Wir sind Grosseltern. Und kein Schwein interessiert sich dafür, ob wir noch zusammen schlafen…»

DIESMAL SAGTE KARL: «NA.NA.NA…»

Drei Stunden später: «KAAARL – KANNST DU MAL…»

Lydia stand im Schlafzimmer. Mit beiden Händen hielt sie ihren Teil der ehelichen Liege: «…Dieses Bett muss ins Bügelzimmer!».

«LYDIA! DU BIST MEINE FRAU. WIR TEILEN LEID UND LIEGE…»

«Aber nicht die schlaflosen Nächte!», knurrte sie giftig. «AUF DREI RUCKST DU DAS BETT HOCH: EINS… ZWEI… DREI!»

Es war eine ziemliche Plackerei. Die Liege war noch Gründerzeit. QUALITÄTSWARE.

Als sich die zwei Alten japsend im Bügelzimmer daraufsetzten, spürte Lydia den Stich im Rücken. Der Schmerz wurde immer stärker.

Karl rieb seiner Frau den Rücken mit dieser weissen Wundersalbe ein, welche die Menschen auch bei grösster Pein in der Fernsehwerbung wieder tanzen lässt.

DOCH LYDIA TANZTE NICHT.

Als sie im Bügelzimmer ALLEINE mit ihren Rückenschmerzen dalag, überkam sie das heulende Elend.

Schluchzend humpelte sie um Mitternacht ins Schlafzimmer zu Karl.

Der hockte kopfschüttelnd auf dem Bettrand: «WEISST DU EINE NORDISCHE GOTTHEIT MIT DREI BUCHSTABEN – ES IST ABER NICHT ASE…?»

Freitag, 13. Juli 2018