Milieu de Table

Betty liebte ihren Alten. Dies seit 40 Jahren Ehe.

A.B.E.R.! Jedes Glück hat sein ABER.

Bei Alfi ist es die Sparsamkeit. Schon als er ihr einen Heiratsantrag machte, war er nicht mit einem Brillantring erschienen. Sondern mit einem Dampfkochtopf: «Auf dem lässt sich ein gemeinsames Glück aufbauen, Betty!» Er hatte ihre Hand gestreichelt - diese Hand, die bis zur Erbschaft von ihrer Tante Tildy ohne Brillantring bleiben sollte.

NACH DEM ERBE GRIFF SIE IN DIE VOLLEN! Und ignorierte Alfis Jammerlied: «Du solltest den Glotz nicht mit beiden Händen rauswerfen, Betty!»

Tat sie aber. Am Schluss war alles weg. Nur der neue «Briller» am Ringfinger blieb. Betty liebte neben dem üppigen Diamanten auch barocke Tische. Mit Silberbesteck (von Tante Tildy). Murano-Gläsern (auch von Tildy) und wunderschönen Blumenarrangements. Letztere liess sie stets als «Milieu de table» von ihrem Blumenhändler in eine silberne Jugendstilschüssel komponieren: Aus einer Schale, gross wie ein Bidet, wuchsen Türme aus Rosen, Lilien und Efeu.

Alfi weinte über die blumige Rechnung: «Für d e n Preis können wir die Gäste auch ins Drei-Sterne-Restaurant einladen, Betty!»

Als Alfi nur noch Rente bezog, wurde die Sachlage ernster: «Wir müssen anders einteilen,Betty! Keine teuren Essen mehr...»

SIE SCHMOLLTE. TOBTE. ÜBERNACHTETE AUF DEM SOFA.

Es half nichts. An ihrem 70. jedoch wollte sie noch einmal in die Vollen greifen. Und deckte das Silber von Tildy.

IN DER MITTE PRUNKTE DER JUGENDSTIL-GRÄUEL.

Doch der Blumenhändler schüttelte traurig den Kopf: «Ihr Mann hat uns Direktiven gegeben, liebe Frau!»

DIESER GEIZIGE PINSCHER!

Auf der Heimfahrt sah sie die Lösung: das Artischocken-Feld von Bio-Bauer Grüninger. Die vertrockneten Artischocken waren zu Blumen erblüht. Und kosteten 50 Centimes das Stück.

Betty kaufte das Feld. Türmte das blau blühende Gemüse zu Pyramiden auf. Und baute das Gourmetbuffet um die Pracht herum.

Als die Geladenen zur Tafel schritten, wanden sich Maden im Parma- Schinken. Käfer krabbelten aus den blauen Blütenfäden direkt in die rosigen Melonen-Schnitze. Und Mistkäfer paarten sich im Reissalat.

DIE GÄSTE WURDEN VON ALFI INS RESTAURANT EINGELADEN.

Es ging zu «King Wong» - dem billigsten Chinesen der Stadt.

WAS KANN MAN VON EINEM, DER STATT DIAMANTEN EINEN DAMPFKOCHTOPF ZUR VERLOBUNG VERSCHENKT, AUCH ANDERES ERWARTEN?

Pinscher!

Freitag, 16. August 2019