Mit Hammer und Cannabis

Es war drei Uhr morgens.

Rosa knallte den Hammer gegen die Scheibe. Die Scheibe war neu.

Rosa nicht. Sie hatte eben den 79. Geburtstag hinter sich.

ES KLIRRTE. UND ROSA WEIBELTE, SO SCHNELL SIE KONNTE, ÜBER DIE STRASSE.

Sie hatte ihre Haustür offen gelassen. Also: nichts wie rein! UND VOR ALLEM: KEIN LICHT!

Rosa lehnte sich im Dunkeln an die Gangwand. Ihr Herz hämmerte wie eine Nähmaschine: dlagg... dlagg... dlagg.

Ihre Finger suchten im Morgenrock-Sack nach ihrem Säckchen mit dem speziellen Beruhigungspulver. Gottlob konnte sie sich in den Zeiten von Corona selbst versorgen.

Aber da war nur eine Büroklammer. Und ein verschrumpeltes Papier taschentuch. «SCHEISSE!» - zischte Rosa. Das war nicht damenhaft. Aber von Herzen.

Sie hörte nun, wie sich auf der anderen Strassenseite etwas tat. Stimmen plapperten aufgeregt durch die Nacht. Jemand schrie: «VERDAMMICH - ICH HABE MICH GESCHNITTEN!»

Dann wieder lautes Durcheinander. Immer mehr Stimmen redeten jetzt aufeinander ein.

ABER IMMERHIN - DIESER VERDAMMTE BASS HATTE ENDLICH AUFGEHÖRT!

Rosa schlurfte zur Treppe. Sie zog sich Stufe für Stufe in den dritten Stock hoch.

«KEIN LICHT!» - ermahnte sie sich wieder. Das hätte man sofort gesehen.

Sie stand jetzt im Esszimmer. Und das ging direkt auf die Seite hin, wo jemand laut in die Nacht hinausbrüllte: «IHR KLEINKARIERTEN SCHEISSFASCHOS... SEID IHR NIE JUNG GEWESEN?!»

Jung schon. Aber irgendwie anders.

Natürlich hatte auch Rosa vor 60 Jahren nichts anbrennen lassen. Ganz im Gegenteil. An den Wochen enden wurde gefeiert. Teppiche eingerollt. Und das Grammofon auf Höchsttöne gestellt:

«GOOD VIBRATIONS» mit den Beach Boys, Herman’s Hermits mit «NO MILK TODAY» und natürlich Manfred Mann mit «DO WAH DIDDYDIDDY».

Von wegen Faschos! Rosa war auf den Tramgleisen gehockt... hatte sich mit ihren Freunden gegen den Krieg in Vietnam in Ketten legen lassen - ALS MAN IHRE WG FILZTE UND IN ROSAS BÜSTENHALTER EIN PAAR LÄCHERLICHE GRAMM HASCHISCH ENTDECKTE, HATTE MAN SIE AUF DEN POSTEN GESCHLEPPT!

«Rosa - was ist los mit dir?», hatte die Mutter geheult.

«ICH WILL EINE BESSERE WELT!», war die klare Antwort.

Und jetzt. Virus! ALLES MACHT DICHT - aber private Scheiaweia-Partys haben Volldampf!

Mit 79 Jahren hockte sie mit Arthrose, Raucherhusten und pfeifenden Lungenflügeln in ihrem alten Haus. Sie konnte nicht schlafen, weil diese Jungmannschaft vis-à-vis die Musik so hoch drehte, dass einem der Bass die Därme donnern liess.

Das Virus war ihr egal - sie schaute dem Tod gefasst in die Augen. ABER NICHT DIE NACHTRUHESTÖRUNG!

Schon einmal hatte sie diesen zugekifften Studis die Scheibe eingeschlagen. Diskussionen hatten nichts gebracht.

ALSO HATTE SIE WIEDER ZUM HAMMER GEGRIFFEN. SELBST WAR DIE FRAU!

Rosa sah blaue Lichter in ihrer Stube tanzen. Fünf Minuten später schellte es. Die Polizei nahm freundlich Abstand. Und Rosa leugnete alles.

Eine der Polizistinnen hob ein Säckchen mit Cannabis vom Boden auf. «Eigenzüchtung», erklärte Rosa. Und steckte es in den Morgenrock, «gegen meine Arthrose».

«Ja dann», grinste die Beamtin.

Am anderen Morgen schellte eine Delegation der WG bei ihr an der Tür: «Also - wir wollen den Hammer vergessen. Die Polizistin sagt, du hättest Cannabis im Hinterhof... kommen wir ins Geschäft?»

«NUR WENN IHR KÜNFTIG DIE BÄSSE LEISER STELLT! Und für mich einkaufen geht...», bellte Rosa.

«HAMMER!» - grinste die Bande...

Freitag, 20. März 2020