Von Beeren für Nubya und einem Frühaufsteher mit Affe

Samstag - Samstag penne ich durch. Zusammen mit Nunu.
Nunu ist nicht der und das, was Sie glauben. Nunu ist mein Schmusetier. Ein Plüschaff mit Glasknopfaugen und einem sägemehlartigen Innenleben.
Das Innenleben von Nunu kehrt sich langsam nach aussen und schüttet seine Substanzen auf meinen Bauch. Nunu ist wie alle Schmuseaffen mit dem Herrchen in die Jahre gekommen - nun hat er (Nunu!) so manche undichte Stelle.

Mit Nunu penne ich nur in der Nacht auf Samstag. Sein weicher, mitunter allerdings etwas miefender Körper hilft mir, mich zu entspannen. Und durchzuschlafen. Die andern Morgen der Woche bin ich nämlich zum Ärger meiner morgenmuffeligen Umgebung schon sehr früh auf der Matte. Spätestens um 5.15 Uhr. ICH WIEDERHOLE: 5.15 UHR!
Da schnattere ich bereits los und mache mit dem Plappermäulchen die andern staubig. Wenn ich Innocent erzählen will, was mir so WAHNSINNIGES geträumt hat, nürzt der gemardert ins Kissen, dreht sich um und schaltet den Hörapparat auf «aus». SELBER SCHULD, WENN ER IN SEINEN TRÄUMEN DANN NICHTS MITBEKOMMT.

Es ist für Frühmuntere ziemlich frustrierend, in einer Umgebung zurechtzukommen, wo man mit seiner Frühfröhlichkeit dem Rest der Erde auf die Eier geht. Also tauche ich notgedrungen ins Internet und will mal im E-Mail-Briefkasten schauen, ob die übrige Welt schon auf den Beinen ist. Doch da sind nur Werbesendungen, die mir Viagra oder Präservative in Grosspackungen versprechen. Und dann diese mühsamen SPAM-Angebote von «Lust auf Geile mit Weile?». Ich habe um 5.15 nur auf ETWAS Lust. Aber die Espressomaschine signalisiert mir rot blinkend «ENTKALKEN». Und keiner sagt mir, wer von uns beiden gemeint ist?

Und nun also Samstag. Auspenntag. Nunu im Arm - UND DIESES PENETRANTE KLINGELN DES TELEFONS! Weshalb können wir nicht wie andere Familien Händels «Ave Maria» oder den «Tiroler Bergkameraden»-Jodel zum Hauston machen? WEIL INNOCENT SONST DAS TELEFON NICHT HÖRT! Deshalb klingelts bei uns mit der Intensität einer Weckerfabrik. An diesem Samstag also um 7.22 Uhr.
«Hallo - hier ist Hildi Hummel. Hab ich Sie geweckt, Herr -minu?» Die Stimme von Hildi Hummel würde jeden Sirenenalarm übertönen. Ich sage «Ja». Die Hummel bleibt ungerührt: «Morgenstund hat Gold im Mund, Herr -minu -, aber genug gescherzt. Ich rufe wegen Ihrer Kochsendung mit Nubya an!» OH GOTT!
Mit Lichtgeschwindigkeit jagen Schreckensszenarien durch meine Ganglien: Ich habe wieder den Finger vor laufender Kamera abgeleckt? ich habe mich bei den «warmen Berlinern» politisch unkorrekt verhalten? Das Schlimmste: Ich habe eine genmanipulierte Erdbeere für die Füllung verwendet?
«Sie dekorieren doch im Kochstudio diesen heissen Berliner mit Johannisbeeren aus?» ACH, DAS IST ES! Die Beere passt nicht in die Vorfasnachtszeit. Da hat die Hummel Recht. Aber die Sendung wurde als Konserve im Sommer produziert. Und da war Beerenzeit.
«Dann bringen Sie diesen Teller ins Atlantis zu Nubya. Wuchten sich die Bühne hoch. Und...» Hildi Humel macht eine kleine Pause und mein Herz einen Sprung: Habe ich Nubya geküsst? Wird mir eine schwesterliche Umarmung nun als sexuelle Belästigung ausgelegt?
«UND DA SIND KEINE BEEREN MEHR DRAUF! WO SIND DIE BEEREN HINGEKOMMEN, HERR -minu?» Der Weg vom Kochstudio ins -tis war lang. Deshalb: «Die habe ich unterwegs vom Teller gegessen?» Am andern Hörer bleibt es 15 Sekunden still. Dann höre ich das triumphierende Vibrieren in Hildi Hummels Stimmbändern: «Das habe ich mir gleich gedacht!»

UND DESHALB WERDEN MEIN SCHMUSEAFF UND ICH AN EINEM SAMSTAGMORGEN GEWECKT!

Montag - muss mich mal wieder sehr ärgern: In der Tiefgarage des Einkaufscenters sind so ziemlich alle Plätze belegt. DA - EINE LÜCKE. Ich parke rein. Und werde von einer Frau mit Kinderwagen scharf angemacht: «Das ist ein Frauenparkplatz!»
«Eben!»
Nun schaut mich die Frau mit zusammengekniffenen Augen an: «Was heisst eben?! Ich verstehe da keinen Spass.»
Ich zähle bis zehn: «Ich auch nicht. Eben heisst eben «eben». Ich fühle mich schwach. Ich fühle mich keinem Messerstich gewachsen. Und ich fühle mich einsam - auf den Frauenparkplätzen gehts mir besser!»

Die Frau tobt: «Ich rufe sofort die Administration, wenn Sie Ihre Karre nicht wegstellen. Seit Jahren kämpfen wir Frauen für gleiches Recht und?» «Eben! Gleiches Recht für alle - ob Mann oder Frau! Es gibt nämlich auch ängstliche Männer. Und mutige Frauen und? Mittlerweile beginnt das Kind der Meckerziege zu heulen. Ein unschönes Kind. Und total hässlich im Outfit. Ich meine: dafür braucht es keine Parkplätze. Das Geschrei lässt eine Aufsicht des Einkaufscenters herbeischlendern - «dieser Mann parkiert hier!», tobt die Mutter und stopft ihre brüllende Wurst wie einen Abfallsack ins Babysitzchen.
«Ja und?», sagt der Mann, «der Herr darf das doch?» Ich hätte ihn umarmen können. «Hier steht klar und deutlich: Frauen und ältere Personen.»
Ich hätte ihm eine kleben können.

Dienstag, 18. Januar 2005