Abführmittel

Paddy war heiss auf Netti. ER M U S S T E SIE HABEN. Auch wenn er ihr Grossvater hätte sein können.

Paddy sah noch immer gut aus: weisse Haare, die er mit Koffein-Tinktur ins Wellen brachte … Und ein Body, den er im Fitnesscenter täglich so stur durchtrimmte, dass die Arschknack-Bolzen ­rhythmisch krachten!

Doch jetzt hatte er 700 Gramm zu viel. Seine Waage hatte es ihm frühmorgens schonungslos ab Band ins tagesgecremte Gesicht geschleudert: «Sie haben 700 Gramm ­zugenommen!»

KLAR: MARTHAS VERDAMMTER JOHANNISBEERKUCHEN!

Sein Weib hatte nichts anderes im Programm, als ihn rundum zu bemuttern. Und zu befuttern.

Sie backte den ganzen Tag. Riss ihm seine ­Unterhosen vom Hintern («die müssen in die Wäsche»). Und bürstete sich durch Teppiche, ­Fauteuils und seine Anzüge.

Das war ihre Art der Bürsterei.

«Ich brauche ein leichtes Abführmittel», sagte er in der Apotheke. «… und ein paar von meinen ­Pillen!»

Der Apotheker wusste über Paddys Pillen Bescheid. Und schob ihm wortlos die Packung mit den blauen Mittelbeinstärkern hin. Dazu 20 Papierbeutelchen: «Die sind harmlos – nach einer Stunde können Sie…»

Konnte er nicht.

Also schob er ein zweites Päckchen nach. Und nach drei weiteren Nullstunden ein drittes.

Paddy kam kaum in sein weisses Leinenkleid. Bei Ersteroberungen griff er stets zum roten Cabrio. Dazu dann eben der weisse Anzug – SO ETWAS LIESS DIE WEIBER BEBEN.

«Er ist dir zu eng», brachte es Martha auf den Punkt. Sie hatte ihm den Anzug rausgelegt. Und schüttelte den Kopf: «Pass auf, dass du nicht ­wieder mit Grasflecken heimkommst. Ich habe sie letztes Mal kaum rausbekommen …»

Das mit den Grasflecken war nach «Inge auf der Blumenwiese» (sie war eine Romantikerin) ­gewesen.

Netti (von Jeanette) war eher der Autotyp. Man konnte beim Nissan die Sitze flach kurbeln.

Die heisse Teeny wartete auf der Strasse. Und freute sich über den Open-Air-Flitzer: «Zeig mir auf der Autobahn, was der draufhat!»

Nach Liestal bretterte Paddy los. Und bei 180 spürte ers zum ersten Mal: ein leises ­Brummeln im Bauch.

Er ging vom Pedal.

«Was ist los?», fragte Netti.

Paddy spürte, wie er ins Schwitzen kam. ­Besonders, als beim Vorderwagen die Alarm­lampen blinkten. Schon standen sie im Stau. Das Brummeln hatte sich nun zu einem starken ­Gegurgel und Getöse entwickelt …

UND DIES BEI SCHRITTTEMPO.

«Willst du ans Steuer, Netti?» – seine Stimme ­zitterte.

«Ich habe keinen Ausweis», lachte sie.

SCHEISS-SITUATION (im echten Sinne des ­Wortes).

Heftige Krämpfe schüttelten ihn durch.

«Was ist los, Patrick?» – Netti schaute ihn schräg an. «Du bist ganz weiss!»

Da funkelte auch schon Blaulicht. Und ein Polizist donnerte: «Ausweis. Und aussteigen!»

Als Paddy in den nahen Wald davonjagte, ­galoppierten drei Polizisten hinter ihm her.

Der Rest ist Geschichte.

Es wurde jedenfalls ein teurer Ausflug: Billettentzug, 12 389 Franken Strafe wegen ­Fahrerflucht in den Wald. Und die Ausgabe für einen neuen, weissen Leinenanzug.

«Also d i e s e Flecken krieg ich nie mehr raus», hatte Martha gejammert.

Die Sitze waren übrigens nicht flach gelegt worden.

Und am andern Tag meinte die Waage: «Sie haben 900 Gramm abgenommen!»

Immerhin!

Montag, 1. Juni 2015