Von den grünen Männchen und Elke

Illustration: Rebekka Heeb

«SIE SIND WIEDER DA!»

Innocent sitzt auf dem Bettrand.

Er hat noch den Apnoe-Schlauch auf der Nase. Und so sieht er stets aus wie ein kleiner Plastik-Elefant – zum Knuddeln, sag’ ich euch!

Er streift die Atemmaske ab. Der Schlauch lässt einen letzten, langen Furz.

Nicht nur der Schlauch.

Dann der Jammerblick, wie ihn Giannis Schnauzer hat, wenn er die Katzen vor seinem Fressnapf sieht.

«SIE SIND WIEDER DA», flüstert der arme Plastik-Elefant zum zweiten Mal. Und ich schicke ein Stossgebet zum Bild der heiligen Maria, dass er nicht die Salzburger meint.

Zuzutrauen wäre es Liesel ja. Wenn dieser Giftschnepfe der Käfer brummt (wie Onkel Alphonse die Art von Rössigkeit stets beim Namen nannte), wenn Liesel also den Hang hat, kennt sie nichts. Sie packt ihren Alten in den Wagen. Schnallt den Busen hoch. Und braust hierher.

ABER DIESES MAL HAT ES DIE HEILIGE JUNGFRAU GUT MIR MIT GEMEINT.

Es sind nicht die Salzburger.

ES SIND DIE GRÜNEN MÄNNCHEN.

UND VERDAMMT – DAS HATTEN WIR DOCH SCHON!

Innocent zuckt in Selbstmitleid mit den Schultern: «Ich kann nichts dafür. Ich wache auf. Schon sitzen sie wieder um mich herum. Und zwicken mich.»

GUT. DIE ERSTEN GRÜNEN MÄNNCHEN BESUCHTEN UNS VOR ETWA 30 JAHREN.

Innocent schwieg sich darüber aus. Aber er magerte ab wie ein Baum mit dem Wurm im Gebälke. Er wurde fahrig. Kratzte sich rundum wund. Und rückte schliesslich mit der Sprache raus: «Ich erwache. Und dann sitzen sie auf dem Bett. Sie sind grün. Und haben Eierköpfe. Eigentlich nicht unsympathisch. Aber ihr Lächeln ist giftig.»

WIR WISSEN ALLE, DASS ES KEINE GRÜNEN MÄNNCHEN GIBT.

Und so schickte ich Innocent damals zum Seelen-klempner. Doktor Herzgut war nicht meiner schlichten Meinung, dass der Alte einfach spinne.

Er nahm mich ins Nebenzimmer: «Ich würde die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen… er hat Kratzstellen… und Bluthochdruck.»

Das Kratzen kommt, weil er nur jeden vierten Tag duscht.

Und der Bluthochdruck? Ich hätte Herrn Doktor Herzgut gerne mal das Leergut aller gesoffenen Bordeaux-Weine gezeigt!

FÜR SOLCHE DIAGNOSEN BRAUCHE ICH KEINEN DOKTORHUT!

Wir stoppten also Innocents Traubenkur. Und er trank nur noch Milch mit Honig.

DIE MÄNNCHEN GRINSTEN JEDOCH IMMER NOCH!

Ich habe daraufhin das Leid meiner guten Freundin Elke geklagt.

Elke ist vielen in unserer lieben Stadt ein noch lieberer Begriff. Sie hat als Sado-Maso-Spezialistin gearbeitet. Und war die Königin der Peitsche.

Auf ihrem Höhepunkt (den sie mit ihren Freiern nie hatte) liess sie den eisernen Vorhang runter: Schluss. Aus. Das wars.

Sie übernahm die Vertretung einer amerikanischen Putzmaschine, welche «Herby» gerufen wurde.

Ich habe sie nicht ganz verstehen können, aber sie hats mir erklärt: «Das Schöne an ‹Herby›: Er funktioniert immer. Ist im Haushalt nützlich. Und macht keine Geschichten … VON WELCHEM MANN KANNST DU SO ETWAS SAGEN?!»

WO SIE RECHT HAT, HAT SIE RECHT.

Da Elke mit allerlei Hirngespinsten vertraut war, hoffte ich auf eine Erklärung zum Besuch der grünen Männer.

«MILBEN!» – sagte sie nur. «Innocent hat Milben im Bett.»

ALSO DAS DANN DOCH NICHT! Ich kannte alles, was sich in Innocents Bett tummelte. ABER MILBEN WAREN NICHT DABEI.

«Du siehst sie so nicht – ich komme mit ‹Herby› vorbei.» Sie hängte auf. Und stand eine Stunde später mit einem Staubsauger vor der Tür.

«Herby» war wirklich eine Wucht. Er saugte alles. Blinkte wie ein verliebter Auto-Skooter dazu. Und summte nur. Er brüllte nicht, wie andere seiner Art – das machte mir Herrn «Herby» sofort sympathisch.

NATÜRLICH WAR INNOCENT HIN UND WEG.

SCHON DAMALS MÜLLTE ER UNSERN HAUSHALT MIT JEDER NEUEN TECHNISCHEN ERFINDUNG ZU.

Elke ahnte das gute Geschäft. Sie liess «Herby» in Innocents Bett rumsaugen. Dann klappte sie den Behälter auf.

«Was seht ihr hier?»

«Dreck», blaffte ich.

«NEIN – DAS SIND MILBEN. DIE KOMMEN – KAUM DASS SIE INNOCENTS ROTWEINDUNST SCHMECKEN – ANGEJAGT. SCHON GEHT DIE SAUSE LOS!»

So kam Herr Herby in unser Haus.

Ja. Gut. Ich habe mir einen saugenden Butler auch anders vorgestellt!

Tatsächlich schlief Innocent jetzt aber durch. Die grünen Männchen hatten die Kurve gekratzt.

Und statt Milch mit Honig wieder Bordeaux zum Trunk.

Ich habe mich dann natürlich auch bei andern Freundinnen schlaugemacht. Und plötzlich kannte jede Zweite die grünen Männchen.

Man riet mir zu ägyptischem Linnen. Nur diese Leintücher hätten Pharao vor den Ausserirdischen gerettet.

Andere schworen auf das legendäre DDT.

Bei DDT handelt es sich um Dichlordiphenyltrichlorethan. Das Wort ist ideal für ein Prüfungsdiktat-Diktat.

Aber husten Sie es mal einem Drogisten. Der baut die Krise: Das Mittel sei verboten.

TOLL.

ABER GRÜNE MÄNNCHEN SIND ERLAUBT (und das meinen wir hier nicht politisch!).

Ich habe also Linnen aus Ägypten einfliegen lassen und hätte mir für das Geld 20 Nilfahrten leisten können. Dann sprühte ich die Leintücher mit Insektenmittel ein. Und liess jeden Tag den guten Herrn Herby darüber.

ENDLICH WAR RUHE. ENDGÜLTIG.

Bis jetzt. 30 Jahren danach:

«Sie sind wieder da!»

Ich schaue mir Innocents Kratzstellen und Borbeln genauer an.

NATÜRLICH SIND ES MÜCKENSTICHE.

Aber ich werde mich hüten, so etwas zu sagen.

Innocent trinkt seit drei Tagen wieder Honig-Milch!

Und spielt nachts mit den grünen Männchen «Elfer Raus».

Auch recht.

Dienstag, 17. Juli 2018