Vom falschen Chauffeur in Meran und Anmache…

Illustration: Rebekka Heeb

«ACH, D E R? DER IST NUR DER CHAUFFEUR…»

Aber hallo! Ich glaube, ich träume!

Innocent lümmelt in der vornehmen Bar unseres noch vornehmeren Hotels in Meran. Er hat den Gehstock hinter dem Brokatvorhang versteckt und macht auf lässig:

«Was macht so eine schöne Frau wie Sie alleine an diesem Ort der abgewrackten Geister?»

Die «schöne Frau» ist satt gestrafft. Üppig gekleistert. Und mit Frau Ardens Abdeckfarben übermalt.

SOLCHEN DICK AUFGETRAGENEN BLUFF KANN INNOCENT NATÜRLICH NICHT SEHEN. ER TRÄGT EINE SONNENBRILLE.

Erstens findet er das cool. Zweitens verdeckt er damit die Saufsäcke, die eine halbe Flasche Hennessy am Abend zuvor unter den Augen deponiert haben.

DIE «SCHÖNE LADY» HAT AUCH SAUFSÄCKE!

Nur sind die überschminkt. Und tragen das Louis-Vuitton-Zeichen!

Ich baue mich nun energisch vor dem seltsamen Paar auf.

Innocent veschluckt sich. Und hustet den Campari aufs weisse Hemd: «OH – HERR HUBERTUS, WIE SCHÖN. IST DER WAGEN VORGEFAHREN?»

Ich stemme die Fäuste in die Hüften. Und die Stimme hat das Zischen der Schlange vor dem Zubiss: «Ich werde dir bald etwas anderes vorfahren… Wer ist die Schlampe?»

Innocent verschüttet nun den Campari total. Er tut dies, um vor dem anziehenden Shitstorm abzulenken.

Schon eilt der Kellner wedelnd von der Bar herbei. Und spritzt das Hemd mit Mineralwasser ab:

«Wasser oder Champagner sind das beste gegen Flecken», schleimt sich Innocent jetzt wieder in Richtung der Hochgelifteten, «WUSSTEN SIE DAS, SCHÖNES KIND?»

Das «schöne Kind» schüttelt wild den Kopf. Seine Mähne bleibt dabei so starr wie ein getrockneter Hundedreck auf der Anlage. Diese Schlampe muss jedes Haar einzeln mit Fix-Lack eingesprayt haben.

WENNS IN DER BAR REGNEN WÜRDE, KÖNNTE MAN AUF DIESER FRISUR DIE TROPFEN TROMMELN HÖREN!

Nun lässt sie ein perlendes Lachen los, dass die Gläser vibrieren. «SIE SIND ABER EIN GESCHEITER MANN», schmalzt sie Innocent an. Und dann zu mir – in diesem befehlenden Ton, den ich nur von SP-Grossräten kenne, wenn es um Forderungen im Lohnausgleich geht: «Fahren Sie mit dem Kittel in die nächste Reinigung, Hubertus – Campari hat Rotfarbe drin!»

DAS REICHT JETZT ABER!

«Sie können mich mal am Abendland, Sie dumme Zicke! D a s hier ist mein Onkel Innocent. Und ich muss ihn jetzt wieder ins Heim zurückbringen.»

«WAS IST ER? WOHIN BRINGEN SIE DEN?», hyperventiliert der stark parfümierte Pudersack.

«Er ist wieder ausgebüxt, und er hat auch die Beruhigungspillen nicht genommen.»

ICH SCHAUE INNOCENT TADELND AN: «Aber, aber, unartiger Mann. Bestimmt bist du wieder ohne Pampers weggelaufen. Und die armen Schwestern im Altenasyl haben dann das Theater!»

Innocent, rot wie sein Campari-Fleck, versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist: «Er meint es nicht so… er ist nur eifersüchtig … ich darf in seiner Gegenwart nicht einmal eine Meersau streicheln.»

ABER DA IST DIESE DRECKSCHLEUDER AUCH SCHON WEG. UND HINTERLÄSST NUR NOCH EIN LEICHT SÄUERLICHES DUFTGEMISCH VON NINA RICCIS «L’AIR DU TEMPS» UND MUNDSPRAY.

«So geht das nicht weiter», tose ich in Richtung Ohrensessel, in dem sich Herr Innocent jetzt kleinmacht wie Dackel Waldi, wenn er das Tischbein angenagt hat.

ES IST FEUER IM DACH!

Er müffelt ein bisschen: «Die Liesel fehlt mir halt.»

O.k. Ich überhöre den Jammerruf nach dem üppigen Salzburger Knödel – dabei muss ich zugeben, dass Liesel nicht nur Busen hat. Sondern auch viel Herz darin. DIE MIESE PUDERQUASTE HIER JEDOCH HAT NUR AUGEN FÜR INNOCENTS BRIEFTASCHE GEHABT.

(Diese füllt er übrigens stets mit Papierschnitzeln auf – DAS PRALLE DER BÖRSE IST SO FALSCH GEFÜLLT WIE DER SILIKON-BUSEN DIESER MÄNNERFÄNGERINNEN.)

«Wenn du der Liesel nachjammerst, ist das noch lange kein Grund, mich hier als dein Chauffeur vorzuführen. VOR ALLEM IST ES KEIN GRUND, SÄMTLICHE WEIBER IN DIESEM ALTEN KASTEN ANZUMACHEN!Hast du schon mal etwas von ME TOO gehört? Die locken dich doch ins Kämmerchen und warten nur darauf, dass du zu grabschen beginnst – dann grosses Geschrei. UND DU KANNST BLECHEN!»

Er mault jetzt herum: «Die Liesel ist nicht so. Die hat mir danach immer Käsespätzle gemacht.»

«ES GEHT FÜR EINMAL NICHT UM DIE LIESEL. SONDERN UM DIESE KNALLSCHNITTE HIER IN DER BAR! SIEHST DU DENN NICHT, WAS DAS FÜR EINE IST?»

Er schweigt beleidigt.

Dann: «Ich langweile mich eben … so eine Kur ist nichts für meine Moral.» ICH VERSUCHE, GANZ TIEF ZU ATMEN.

Rede mir selber zu: «Ruhig bleiben… ruhig bleiben… ruhig bleiben…»

DANN BRÜLLE ICH, DASS DER BARKEEPER VOR SCHRECK DEN FERNET MENTA VERSCHÜTTET: «Die Kur mag nichts für deine Moral sein. Sie ist aber gut für deine beiden Kniescheiben, du Weichei. Also bring dich ein. Und mach die Streckübungen im Bassin!»

ERHOBENEN HAUPTES VERLASSE ICH DAS SCHLACHTFELD.

Innocent ruft mir nach: «Wenn du schon in den Ort gehst, bring mir ein paar heisse Heftchen mit!»

O Welt! Vor 70 Jahren noch Mickey Mouse – und jetzt Damen in Leder.

Ich bin dann die Meraner Lauben rauf und runter.

Zuerst habe ich die Nerven mit zwei Portionen Apfelstrudel beruhigt. Dann mit einem Eisbecher, den sie «me too for three» nannten.

Die Südtiroler sind ganz seltsame Scherzkekse.

Beim «Gwanderl-Moritz» habe ich dann diesen wunderbaren, auberginefarbenen Herbstanzug mit den Hornknöpfen und dem passenden, goldfarbenen Gilet dazu auf meine Rundungen umschneidern lassen.

SIE NÄHTEN SOFORT AN MIR HERUM.

Das hat die inneren Stauungen wieder ausgebügelt. Und mich gewohnt locker gemacht.

INNOCENT TRAF ICH IM SCHWIMMBAD DES HOTELS.

Er drehte dort seine Therapierunden. Und war für einmal sprachlos, als er mich im Aubergine-Look sah.

«WAR D A S JETZT WIRKLICH NÖTIG?», jammerte er los.

«ES IST DIE CHAUFFEUR-UNIFORM», konterte ich eisig.

UND WARF IHM DAS NEUSTE MICKEY-MOUSE-HEFT HIN: DAISY DUCK IN MOTORRAD-KLUFT!

Dienstag, 16. Oktober 2018