Von heutigem Grillieren und dem Feuer von einst

Illustration: Rebekka Heeb

Innocent schleppt Wildsau koteletts aus Capalbio an.

ICH MAG KEINE WILDSAU. WEDER IN MEINEM GARTEN. NOCH IM TOPF.

Er: «Morgen grillen wir...»

Das Grillen ist eine Grille von ihm. Er fühlt sich dabei als Superman.

Alle Männer sind so. Ich sehe in der Werbung nur diese bärtigen Kerle über dem Rost. Sie knallen sich zuerst ein Bier rein. Dann drehen sie die Fleischstücke so liebevoll auf dem Rost wie ihre Emmis im Bett.

NEIN. MUSS ICH NICHT HABEN.

Überhaupt: Wieso ist Grillen männlich? Eine Grille ist es nicht. Sie zirpt feminin in der deutschen Sprache herum: diiiieeee Grille! Nicht: der Grille.

Nur im Macho-Paradies der Italiener grillen Grilli maskulin: IL GRILLO. Und wer sich mit den Grillen von Herrn Grillo auskennt, weiss, dass «i Grillini» nicht nur zirpen, sondern einen saumässigen Lärm bis zu den fünf Sternen verursachen na ja: Jetzt ist ausgezirpt. Aber nicht fertig gegrillt.

INNOCENT IST SCHON GANZ FEUER UND FLAMME. Deshalb: «Grill du nur Ich mache mir ein Birchermüesli!»

Ich liebe diesen Frucht- Flocken-Matsch von Doktor Bircher. Heute ist er im Ausland fast schon so etwas wie das pappige Schweizer Aus rufe zeichen für gesunde Ernährung.

Selbst in Italien schroten sie «Musli». Sie nennen den Kleister, wie wir in der Basler Agenda eine einzelne Maus bezeichnen würden: Muus. Die deutschen Touristen machen ein «Müsli» draus. Sie betonen sehr stark unsere Verkleinerungs-i: Schwyzerliii... Blüümlii... Pfeifferliii... MÜSLIII...

DAS IST ABER NICHT DAS THEMA. SONDERN: ICH WILL WEDER GRILLO NOCH GRILLEN!

Zur Phobie wurde mir als Kind das Feuer gelegt. Hatte mein Vater Stress mit seinem Harem, besann er sich auf die Familie. Liess sich für den Sonntagsdienst auf dem Sechser ab lösen. Und sattelte statt seine Weiber den Rucksack: «Heute gehts mit der Familie in den Wald! Wir grillen!»

«O nein...», jammerte der Bub, der sich eben die Nägel frisch lackiert hatte.

«O NEIN », schrie die Mutter entsetzt, weil im Hopfenkranz bereits der Tisch für sechs Sonntagsmenüs bestellt war.

Nur die Omi freute sich. Sie war stocktaub und kramte eine Schachtel mit Tabletten aus dem Täschchen: «Ja. Pillen...!» Dann strich sie sich ein Saridon-Schnittchen...

Grillen ist natürlich das falsche Wort. In den 50er-Jahren grillte keiner. Da waren Balkons im Sommer noch keusch und blumig und allerhöchstens mit einem Käfig voller tosender Kanarienvögel belebt.

HEUTE? ALLE REDEN VON EINER RAUCHFREIEN WELT! ABER KEINER HAT JE NEBEN MEINEM NACHBARN GEWOHNT! Der lässt mit seinen Zündtabletten und Feuer spielen Dampf ab, sodass jeder Flugverkehr nach Kloten um geleitet werden muss.

Also: nicht grillen in den 50ern. Sondern «Klöpfer bräteln». So hiess das nämlich. Denn: DIE LEGENDÄRE BEBBI-WURST WAR DAS GRILL-STEAK JENER JAHRE. Sie hatte dem Steak einiges voraus. Der Klöpfer konnte - wenn man ihn richtig beschnitt - die Beine spreizen. «Schau nur - wie Tante Fanny beim Bodenturnen», wollte der gute Vater den Jungen auf die Wurst heiss machen. Ich mochte weder Bodenturnen noch die gespreizte Tante Fanny. Wenn etwas gespreizt werden musste, dann das kleine Fingerchen an der Teetasse...

Wir mussten also in den Wald. Und Holz sammeln.

Ich weiss, dass jedem Pfadfinder bei so etwas die Glücks hormone tanzen. Nicht bei mir. Ich war kein Pfadfinder. DAS SPERRIGE HOLZ RISS MEINE GEPFLEGTEN HÄNDE AUF!

Schliesslich stand die Familie um die lodernden Flammen. Sie hatte Tränen in den Augen - ich vom Rauch. Mutter aus Wut. Ihre Pumps waren zur Sau. Sie war im aufgeweichten Waldboden stecken geblieben: ABSATZ AB! (DESHALB WOHL AB-SATZ?)

So.

Natürlich verbrannte sich jeder an den fetttropfenden Würsten die Schnute. Mutter gab die Salbe herum. Vater den Kalterer spezial. Die Flasche war neben den Flammen gestanden und heiss wie eine spanische Flamenco-Tänzerin. Man hätte auch Glühwein saufen können.

Manchmal wurden Kartoffeln in Alufolie in die Glut geworfen. Ich war schon damals dagegen - und da lebte die gezöpfelte Greta noch im Froschteich. ICH MAULTE JA AUCH NICHT AUS UMWELTFREUNDLICHEN MOMENTEN - SONDERN WEIL ICH MIR AUS DEM STANNIOL LIEBER SILBERNE ARMREIFEN DREHEN WOLLTE...

Als dann das Kalterer-Glas durch die Hitze brach und sich der siedende Joli über Vaters Hosenschlitz ergoss, tobte der.

Jedenfalls - wieder Mutters Salbe!

Und alles zusammenpacken! Es reichte gerade noch zum Hopfenkranz. Dort dann das Übliche: Rahmschnitzel an Hunklers Nudeln.

ABER HALLO! D A S WAR SONNTAG. Und nicht die gespreizte Wurst am Stiel.

Allerdings: Das Grill-Glück dauert an bis heute.

Hunkler ging pleite. Innocents Schweineteile aber rauchen schon...

Dienstag, 25. Juni 2019