Quittenschlacht und kaputte Stinkefinger

Illustration: Rebekka Heeb

Wir haben auf unserer kleinen Insel einen Garten voll mit Bäumen. Frohnaturen würden sagen: BÄUMIG! BÄUMIG! So denken die. Aber die Sache sieht bäumiger aus, als sie in Wirklichkeit ist.

Als Gianni die Bäume vor vielen Jahren mit Gezeter und Gefluche nach meinen Wünschen einpflanzte: 3-mal Pfirsich (wegen der Blüten), 3-mal Kirschen (wegen des Kirschs), 4-mal Äpfel (deren Mus ist ein Muss) - und natürlich Quitten (aus sentimentaler Erinnerung an die so jung verblichene Mutter Carlotta, die beim Einkochen der Quittenschnitzkonfitüre den Löffel abgab) - ALS GIANNI ALSO DIE GANZE PRACHT UNTER SEHR UNCHRISTLICHEN WORTEN EINWUCHTETE, DA FREUTEN WIR UNS SCHON AUF DAS RESULTAT: Kompotte! Konfitüren! Früchte platten auf Eis!

WIR FREUTEN UNS ZU FRÜH.

Die Pfirsichbäume haben im ersten Jahr wohl geblüht - aber nie Früchte getragen. Bei den Kirschen war es genauso. Und die Äpfel machten beim Wachstum in der Grösse einer Schrotkugel «STOPP». Sie waren dann auch genauso hart. Die Idee mit dem Mus war also müssig... Das Einzige, was mit Donner und Doria gedieh: DIE QUITTENBÄUME.

Innocent hatte Tränen in den Augen. «Deine liebe Mama lässt uns grüssen!» Innocent hat meine Mutter stets heiss verehrt. Umgekehrt dito. Die beiden waren eine innige Symbiose geeint im Thema: «Wie können wir den kleinen Stinker zur Vernunft drillen?»

UND JETZT QUITTEN - EIN ÜBERIRDISCHES WUNDER: «DAS IST DAS WERK VON CARLOTTA! Sie will, dass wir ihrem Beispiel folgen. Und die berühmte Quittenkonfitüre mit den Schnitzchen drin kochen...»

Natürlich ist es n i c h t das Werk der Verblichenen. Es ist das Werk von Gianni. Der hat doch vom ersten Augenblick an meinen «Baumgarten-Spleen» als Hirngespinst eines Käse länders boykottiert.

Er ging bei Nullmond in nächtlicher Finsternis aufs Gelände. Und sprühte seinen Gift cocktail, den er auch gegen Wespen nester und Mäuse einsetzt, an die dünnen Stämmchen.

SCHON WAREN DIE BÄUME SAMT MÄUSE MAUSE!

Nur die Quitten haben überlebt.

ABER QUITTEN ÜBERLEBEN IMMER. FRAGEN SIE DIE JENIGEN, DIE WELCHE HABEN UND DANKBAR DAVON AB GEBEN WOLLEN! QUITTEN SIND IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES EINE HARTE, HARTE PLAGE.

Natürlich ist mir dann im Traum die liebe Mama erschienen: «...wenn schon Konfitüre, dann mit Stückchen! Das ist zwar etwas mehr Arbeit - aber du hast ja nichts zu tun. Also hebe dein fettes Hinterteil... und rüste dich sowie die Früchte.»

Ich wollte ihr mit dem Stinkefinger winken. Aber den hat sie mir prompt einschlafen lassen. Sie entschwand mit ihrem typisch spöttischen Carlotta-Lächeln in einem Nebelschleier. Ich erwachte dann mit ebendiesem Finger, der pochte wie eine ganze Spechtfamilie am Baum. Carlotta hat mir für mein ungebührendes Benehmen aus dem Jenseits den Umlauf geschickt.

Wer sich an Quitten - dieser wunderbaren Frucht in der Form einer Frauen-Schwingerinnen-Hose und mit der Farbe von Fluggästen nach miesen Turbulenzen - wer sich also je an diesem harten Stück Natur versucht hat, der weiss, wovon ich spreche: Eher klopfst du die betonierte Birne eines Rechts-aussen-Politikers weich als die Quitte in Stückchen.

DIE FRÜCHTE SIND HÄRTER ALS NIEDERLAGEN UNSERES GELIEBTEN FCB!

Erst heute weiss ich, was die liebe Mutti einst geleistet hat, als sie mir im letzten Jahrhundert auf jede Herbstmesse hin 1000 Gläser mit Quittenkonfitüre fabrizierte. Gut. Carlotta hatte immer eine harte Hand... das zeigte sich besonders bei ihren Erziehungsmethoden. ABER DIESE HARTE HAND HAT MIR DANN DEN MESSESTAND GEMACHT! Mit der Quittenschnitzkonfitüre von einst habe ich damals meine erste Million reingeholt. Mit den fragilen Weihnachtskugeln daneben habe ich sie auch gleich wieder zertrümmert.

SO. UND NUN ALSO QUITTEN AUF DER INSEL.

Innocent reagiert total euphorisch im Militärjargon: «AUF ZUR OPERATION QUITTENSCHLACHT! Die schnitzeln wir jetzt durch. Machen Konfitüre. Und verschenken sie an Weihnachten unseren Freunden - das kommt immer noch billiger, als ein MM-Sack.» MM-Sack ist unser Codewort für Migros-Mailänderli, die wir in rote Stoffsäckchen mit weissem Sternenmuster abfüllen.

Das Pflücken der Früchte ist das Einfachste. Und auch Schönste. Du zupfst drei von den Riesenknallern vom Ast. Und hast so ein sattes Kilo im Korb. Rüttelst du zu stark am Baum und fällt dir eine der Quitten auf den Kopf, kannst du gleich mal dein Testament schreiben.

Nun braucht es Zucker: 900 Gramm auf ein Kilo Fruchtfleisch. Innocent jagte also an den Hafen. Und kam mit vier Lastwagen und drei Tonnen «zucchero fino» zurück.

«Leider muss ich mit meinem Umlauffinger beim Rüsten passen», gab ich Forfait. Innocent nannte mich einen «weicheiigen Drückeberger». Haute dann selber mit der Holzaxt die Quitten in Stücke. Schon hatten wir das Drama: Er rutschte aus. UND HALBER FINGER WEG! Ausgerechnet der, den er fürs Stinkezeichen braucht...

Ich konnte den Fingerteil gerade noch vor Lucia, der gefrässigen Nachbarhündin, retten. Und packte ihn in eine Tupperware-Dose. Blaulicht. Inselspital. Nähstunde. Und so ein schwarzer Verband, wie ihn Moshe Dayan über dem verlorenen Auge trug.

In unserer Familie winkt während der nächsten Monate wohl keiner mehr mit dem Stinkefinger...

So musste die Operation «Quittenschlacht» also bereits nach den ersten zwei Kilos abgeblasen werden.

AM ZUCKERLAGER TUN SICH WIEDER GANZE AMEISENVÖLKER UND HORNUSSENSCHWÄRME GÜTLICH.

Und an Weihnachten - FREUET EUCH! - werden wir wohl wieder das MM-Säckchen (ihr wisst schon) verschenken.

Dienstag, 17. September 2019