Von der Einsicht: Es wird wieder Fasnacht

Illustration: Rebekka Heeb

Zweimal ist es bei mir nicht Fasnacht geworden.

KATASTROPHE!

Das erste Mal lag ich bereits eine Woche vor dem Morgestraich mit Fieber im Bett. Ich versuchte es mit Schwitzkuren. Linda braute mir Hühnerbrühe. Und würzte die mit ihren Hexensprüchen.

HALF ALLES NICHTS! DER ZUSTAND WURDE IMMER SCHLECHTER. UND ICH IMMER SCHWÄCHER.

Das Schlimmste: Ich war damals erste Piccolo-Stimme bei den Gwendolynern. Unsere Pfeifergruppe bestand aus drei Nasen - fiel ich aus, hatte das für die beiden anderen ebenfalls Konsequenzen: null Fasnacht. Null Terzett. Null Barogg (damals d e r Hipp-Marsch) dreistimmig.

Ich rief Esther und Annemarie an. Sie nahmen es gelassen. Dabei hingen die Kostüme, die Esther geschneidert hatte, bereits am Bügel. Und Guschti Hohl, der Larven macher, wartete darauf, dass wir die Köpfe mit einem traditionellen Ständeli abholen würden.

AUCH D STUBETE AM LATERNEN-SONNTAG WAR BEREITS EINGEFÄDELT: über 100 Gäste - wie immer. UND DANN KOMMT SO EINE SAUDUMME GRIPPE UND KLICKT EINEN AUS!

Die Nacht auf den Morgestraich werde ich nie vergessen. Ich lag schlaflos im Bett. Das Fieber war in die «rote Zone» gestiegen. Und ich hörte, wie Werner Hügin, Freund und Arzt, im Ess zimmer zu Innocent Klartext sprach: «Wenn es morgen nicht bessert, muss er ins Spital - es ist eine totale Erschöpfung. Nicht zu spassen!»

Innocent kam mit roten Augen ans Bett: «Willst du etwas Schokolade?» Ich stöhnte. Wenn ich beim Angebot von Schokolade schlappmache, ist die Sachlage ernst - aber das könnt ihr euch ja vorstellen.

Natürlich hatte ich auch vorher in der Morgestraichnacht nie geschlafen: Fasnachtsfieber lässt keinen pennen. Aber hier wurde es heiss - im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir wohnten damals im Gellert. Magnolienpark. Innocent sass am Bett. Und schleppte immer wieder Tee an. Ich döste manchmal weg - die Mittel waren stark. Und plötzlich hörte ich ein Rumpeln - es war, als würde ein Erdbeben anrollen.

4.00 UHR, MORGESTRAICH!

Ich setzte mich auf. Schaute Innocent an: «Öffne die Fenster!» Und dann hörte ich die Schläge der Trommeln. Kein Pfeifen. Nur das Donnern der Kübel. Nach drei, vier Minuten ebbte der Wirbel ab. Und es war wieder gespenstisch still.

Ich heulte wie ein Hund. Es schüttelte mich durch. Und Innocent, der in solchen Situationen (und als nullblütiger Fasnächtler) stets überfordert ist, murmelte: «Na... na... es wird schon werden... na... na... es gibt wieder eine Fasnacht!»

Am anderen Morgen hatte ich nur noch Temperatur. Dennoch hat mich Werner am Fasnachtsmittwoch zur Kur geschickt: «Du bist physisch und psychisch einfach ausgebrannt! Gönne dir Ruhe!» Dann lächelte auch er: «Es gibt wieder eine Fasnacht!»

In einer Klinik im Appenzell haben sie mich «aufgebäbbelt». Um mir eine Freude zu bereiten, jagten sie drei Masken ans Bett - als Frauen verkleidete Männer mit Hexenköpfen: «Hoi du!» Gut gemeint. Aber unnötig. Ich war sauer auf das Schicksal, das mir die Fasnacht gestohlen hatte. Und schickte die männ lichen Hexen zum Teufel!

Die andere Nicht-Fasnacht war vor einem Jahr. Corona-Beginn - ihr wisst schon.

Dennoch bezog ich am Sonntag vor dem Morgestraich mein Herzel-Zimmer im Drei Könige. Kein Morgestraich - nein, das d u r f t e einfach nicht sein! DAS HATTEN WIR DOCH SCHON!

Im Hotel herrschte Normal betrieb. Keine verdunkelten Fenster. Kein Kerzenlicht im grossen Salon. Ich ging auf die Strasse. Und war nicht allein. Da und dort waren dieselben «Aagfrässene» wie ich - alle warteten auf ein Wunder.

Auf dem Marktplatz äugten ein paar Eiserne nach der Fasnacht. Und hofften, dass die alte Dame doch noch den Weg nach Basel finden würde.

IN DER RHEINGASSE WAR ES STILL WIE IM KLOSTER - DIE FENSTER DER BEIZEN SCHIMMERTEN SCHWARZ. NUR DA UND DORT SAH MAN HINTER DEN SCHEIBEN AUF LANGEN TISCHEN AUFGEREIHTE HOLZSTÜHLE. ES WAR ZUM HEULEN!

Eine Freundin, auch auf der Suche nach einem Hauch Fasnacht, flüsterte: «Im Schafsgässlein soll es einen Morgestraich geben...»

Es waren kaum Menschen dort. Doch als von der Clarakirche die Glocke viermal schlug, tauchten an allen Fenstern Masken auf. Sie intonierten den Morgestraich. Nach 5 Minuten war der Spuk vorbei.

ICH HEULTE EINMAL MEHR WIE EIN HUND: NA JA - DRAMAQUEEN EBEN!

«Es wird wieder Fasnacht...», lächelte eine Anwohnerin. Und streckte mir einen Mimosenzweig zu.

DIE BLÜTEN WAREN VERDORRT. DOCH DIE HOFFNUNG DUFTETE: ES WIRD WIEDER FASNACHT... IRGENDWANN...

Illustration: Rebekka Heeb

Dienstag, 23. Februar 2021