Von einem Kaminfeger und der Ehe für alle

Illustration: Rebekka Heeb

Fegerli war ein Hammer-Mann! «Immer so aufgeputzt!», schwärmte die Omi. «Kein Flecklein rundum. Finde mir einen zweiten, so reinlichen Russer!»

Selbst mein Vater klopfte Fegerli kumpelhaft auf die brikettstaubigen Arschbacken: «Fegerli! - Du bringst mir Glück! In einem Monat sind Wahlen...» Dann zupfte er seinen persönlichen Propaganda-Flyer aus der Trämlertasche: «KEIN BAMMEL VOR HAMMEL - LISTE 5».

Nochmals ein herzhafter Klopfer: «Ich weiss, dass du das Richtige einwerfen wirfst!» Fegerli lief unter seinem kohlenrabenschwarzen Kaminfegergesicht purpurrot an: «Aber sicher doch, Genosse!»

«Ich werde Herrn Fegerli heiraten!», erklärte ich am Mittagstisch der erstaunten Gemeinde.

«Iss dein Sauerkraut auf!»

«Ich will kein Sauerkraut. Ich will den Fegerli!»

«Man kann nicht einfach heiraten, was man will. Und wenn man es trotzdem tut, ist es oft ein gigantischer Fehler!» (eisiger Blick der Mamma zum Vater)

«Ich kann ohne den Kaminfeger nicht leben...», jammerte der Bub über dem Sauerkraut.

«Wenn du brav aufgegessen hast, darfst du den Brummbrumm heiraten...» (wieder eisiger Blick zum Gatten): «Der geht nie fremd. Und widerspricht auch nicht...»

So habe ich schweren Herzens meinen Teddybären geheiratet. Es war eine Vernunftehe - das grosse Feuer wie bei Fegerli war es nicht.

Immerhin hat Brummbrumm nie über den Brei gefressen. Bei Fegerli wäre ich mir da nicht so sicher gewesen. Der war in jedem Kamin daheim.

Die Ehe mit meinem Teddybären lief ganz okay. Wir adoptierten einen Gummifrosch. Viele Jahre später, als ich das Gummitier in einer Vollmondnacht küsste, explodierte der Frosch. Er war - Surprise! Surprise! - der CEO von Apple.

Man darf ruhig sagen: Was die Ehe für alle betraf, waren meine Alten vor einem halben Jahrhundert schon so aufgeschlossen wie der Safe von Dagobert Duck, wenn die Panzerknackerbande zu Besuch war. Bei uns durfte jeder alles: Meine Grossmutter hielt sich Liebhaber wie die Königin ihre vier Corgis. Tante Julchen heiratete sechsmal. Sie trieb die Gatten in den Wahnsinn. Und diese blechten noch so gern die riesigen Abfindungssummen, um vor ihr Ruhe zu haben.

Die Ehe wurde in unseren kleinen Kreisen also ziemlich grosszügig interpretiert - umso erstaunlicher war es, dass die Familie punkto Hochzeitsfest konservativer war als Basler Fasnachtscliquen in der Frage: «Nehmen wir Frauen?»

Ich habe keine unserer Hochzeiten erlebt, ohne dass die Sippe vorher nicht in einem alten Bus durchs Baselbiet gegondelt worden wäre. Genauso gut hätte man ein Fass mit Dynamit transportieren können - so hochexplosiv wie die Verwandtschaft bei falscher Zusammensetzung untereinander war!

Das Brautpaar warf in feuriger Hysterie «Feuersteine» aus dem Fenster. Die Karamellen in den bunten Papierfetzen waren die schlimmsten Prothesenkiller jener Zeit. Sie wurden von der Zahnärzte-Gesellschaft subventioniert. Und waren in Literatur gewickelt: «Das Glück ist wie ein rohes Ei - drückst du zu stark, ist es entzwei!»

Es gab Onkel Alphonse als Conférencier und die ständigen Ermahnungen seiner Frau: «Nein, Fongsi. KEINE WIRTINNENVERSE! Es sind Kinder da.»

Als ich den Teddybären gegen Innocent eintauschte und wir nach 38-jähriger wild-ehelicher Zweierkiste den Schritt zur offiziellen Partnerschaft machten, waren wir eines der ersten Männerpaare auf dem Standesamt. «Wir gehen hin... unterschreiben... und dann zurück ins Büro!» - so der künftige offizielle Partner - «...Du wirst keiner Menschenseele ein Wort verraten, wann, wie und wo...»

WAR MIR RECHT!

Aber nachts kamen Bedenken: Immerhin ist so ein Bund eine grosse Show... ich hatte mir eigens für die Unterschrift die Haare blond mêchieren lassen. D A S SOLLTE NIEMAND MITBEKOMMEN?!

Als wir das Standesamt verliessen, hagelte es Reiskörner und Glückwünsche. Ich tat erstaunt: «Wer hat denn hier geplaudert...?» Dann stiegen wir in eine schwarze Überraschungskutsche. Und fuhren durch die Stadt - wie Mozart ans Grab.

Innocent liess auf seiner Seite sofort den Vorhang runter: «Ich w u s s t e es! Du bist so eine Quasseltante!» Schliesslich zückte er das kleine Etui mit dem schmalen Silberringlein drin hervor: «Hier - du Tucki!»

«UND WO IST DER BRILLER DRAN?» - «Den gibts bei der Scheidung als Prämie!»

So wurde es eine Verbindung mit viel Geplänkel. Aber sie stimmte in ihren Grundgefühlen. Und d a s ist es schliesslich, was eine gute Ehe für alle ausmacht.

Illustration: Rebekka Heeb

Montag, 20. September 2021