Vom Türsteher beim Sacher und wieder kein Diadem

Donnerstag Es ist mir nicht mehr klar, auf welchem Kanal die Diamanten gefunkelt haben. Ich glaube, es war mitten in einer dieser 100'000 Kochsendungen, wo eben der alte Eierpudding neu erfunden wurde, als es hiess: «Wir machen jetzt rasch eine kurze Werbe-Unterbrechung.» Ich raus in die Küche. Geschirrrest in die Spülmaschine. Knopfdruck. Und WUMMMMS! wie der Hecht aufs Sofa.
DA GLIMMERGLITZERTE ES DURCH UNSERE FREUDLOSE STUBE.
Eine Frau mit makellosen, unangebissenen Fingernägeln hielt das Glitzerkrönchen in ihren zarten Händen. Die Fingerchen setzten es auf den ordinär blonden Chignon. Und ich sagte zu Innocent: «Siehst du, so ein Diadem macht aus jeder Schlampe eine Königin.»
Er: «HAST DU DIE TELLER VORGESPÜLT? WENN MAN SIE NICHT VORSPÜLT, KRUSTET ALLES!»
Es kam dann die Walzermelodie vom Strauss-Vater. Das Diadem entflimmerte aus der Scheibe. Dafür tauchte wieder dieses stark übersüsste spanische Naschwerk mit dem gebrannten Zucker auf, das nach einer Basler Pfeifer-Generation genannt wird: Crema Catalan.
«Wenn ich in Wien bin, kaufe ich mir endlich ein Diadem...», so schwebten meine hochkarätigen Träume durchs miefige Stübchen, wo Innocent am coolen Dreibein-Tischchen aus der Zeit der Nierenform eben eine zweite Dose gesalzener Erdnüsse aufbüchste: «... UND ICH SAGE DIR? ICH KRATZE DIESMAL DIE EINGETROCKNETE KRUSTE NICHT VON DEN TELLERN!»
Ich schwieg gereizt. Und so meinte er sich noch einmal bemerkbar machen zu müssen: «ÜBERHAUPT, MÄNNER TRAGEN KEINE DIADEME!»
Dann schaltete er um auf Kartoffelchips. Und «Boxen im Ersten». Was kann man von einer ordinären Welt voller Kartoffelchips anderes erwarten...

Montag Als ich mit Tante Ruthchen trotz Onkel Nudelstadts Warnschrei «Wenn ihr wieder die Goldcard vibrieren lasst, vibriere ich euch auch etwas!», beim Hotel Sacher vorfuhr und uns ein Mann mit Zylinder und dem einfiedelnden Charme eines Grinzinger Stehgeigers den Schlag zur Karosse aufriss, da wusste ich: Bei diesem Uniformen-Hansi bist du richtig. Der hat schon bei Sissi gebuckelt. Und deshalb: «Wo gibts denn hier Diademe, Sportsfreund?!»
Dieses befrackte Witzpaket beachtete mich gar nicht, sondern ging sofort auf die Hand von Ruthchen los. Er führte diese an seinen geölten Schnurrbart. Schlabberte darüber. Und sülzte: «Ja mai... die liebe, gnääädige Frau... dass Sie uns mal widda die Eeehr mocht... mai, dös is e Fraid!»
Natürlich war Ruthchen ausser Hand und Band: «Man hat mich wiedererkannt», flüsterte sie mir zu, «gib ihm sofort einen Zehner!»
Als ich so befohlen im Geldbeutel (Vuitton) rumnistelte, tat der Türsteher plötzlich, als wäre ich auch noch da: «Ja mai? und den verehrten Herrn Papa haams auch mitgnommen, gnädige Frau! Y hool gleich mal en Gehstock!»
Daraufhin habe ich erbost den teuren Euro-Zehner eingesteckt und ihm einen miesen Dollar hingehalten. Das nennt man den Schein wahren!

Dienstag Natürlich war der Operetten-Soldat punkto Diadem auch keine Hilfe. Er schaute mich an wie den geistig Verwirrten: «Sie maanen wohl e Fussballkapperl?»
ICH WILL KEIN FUSSBALLKAPPERL. ICH WILL EIN DIADEM!
Das Zimmermädchen war diesbezüglich die bessere Adresse. Sie kam aus Ost-Polen, hatte das, was der slawische Witz zwei deftige Palatschinken nennt, und strahlte: «Diadääm is guut bei Dooora...»
Daraufhin habe ich das Wiener Telefonbuch nach einer kaiserlichen Kronenhandlung namens «Dora» abgesucht. Später stellte sich heraus, dass sie eine Art Brockenhaus mit Namen Dorotheum meinte, aber fündig wurde ich nur unter «Dorabella, das kaiserliche Vergnügen».
Wie ich dann Diadem-vorfreudig die Adresse im 5. Ring betrat, wars aus mit Glimmer und Glanz. «Dorabella, das kaiserliche Vergnügen» war ein Puff mit brüchigem Linoleumboden und «Wäsche extra»-Berechnung.
Immerhin? Traudel, die Puffmutter, kannte alle Arten von Wünschen und so auch den vom Diadem:
«Gehns doch zum Wiener Faschings-Poldi, da saan auch meine Maderl Stamm-Klientel, wenns wieder mal die uniformierte Rolle vonner Kinderschwester oder a Dentalputzerin spüüln müssn...»
Der Faschings-Leopold hatte aber nur Frugales. Nichts wirklich Erhabenes. Und als er mir die Krone vom Samtkostüm des Rudolfs von Habsburg andrehen wollte, musste ich energisch ablehnen. Die war mir nun doch etwas zu pampig.
«Mir ist nach etwas Leichtem, Luftigem, einem Diadem, wie es im Werbefernsehen vor dem spanischen Eierrezept oder in der Loge am Opernball getragen wird und...»
«Dolly Buster kam mit hochkarätigem Busen, aber ohne Diadem», müffelte der Kostüm-Poldi. Dann schnippisch: «... überhaupt: Männer tragen keine Diademe!»
Fehlte nur noch, dass er eine Dose Erdnüsschen aufgebüchst hätte.

Donnerstag, 24. April 2008