Donnerstag Wir haben den Toaster und das Gummibärchen erfunden. ABER WAS TUN WIR GEGEN DEN SCHNEE IM JULI? Da hat der Erfindungsgeist plötzlich Pause.
Beim Schnee geht es nicht etwa um eine Prise Koks und zehn Nasenschniefer. Nein. ES GEHT UM SIEBEN GRAD UND EINE VERSCHNEITE ENGSTLIGENALP. Dies in einer Zeit, wo man einander im Schwimmbad die Lenden einölen sollte. ABER NICHTS MIT LENDEN, NICHTS MIT ÖL!
Alles meckert, weil ein Deziliter Benzin bald einmal so teuer ist wie dieser brillierende Fünfkaräter, der mir auf den Siebzigsten strahlen soll (ja, ihr Lieben? ihr könnt schon mal den Sparstrumpf füllen!).
ABER BENZIN-ABZOCKE UND EISBLUMEN STATT ENZIAN NEHMEN WIR EINFACH HIN: Schnee im Hitzemonat Juli? ichglaubsjanicht! Soll mir keiner jammern, die Walliser hätten ihren Gletscher und die Eisbären ihr natürliches Klima verloren. Hier gibts alles in Hülle und Fülle? direkt vor meinem Chalet.
UND DIES IM HUNDSTAGEMONAT!
In Adelboden will ich einfach nur ein bisschen mit den Kühen weiden und ausruhen. Mein fitter Vetter Tom will das nicht. Er strampelt gegen das Alter an. Und er sieht immer aus, als müsse er gleich nach Peking? zu allen olympischen Disziplinen.
Tom ist in Adelboden vollgespickt mit sportlichen Plänen, wie Bauer Östers Tenne mit Stroh (wenn ihr kapiert, was ich meine). Ich bekomme schon vom Zuhören den Gau. Aber ich muss ja kein Mountain-Bike mieten und den Pulszähler ans Ohr klemmen. Unsereins braucht die drei übrig gebliebenen Ganglien auch nicht mit einem stromlinienförmigen Schutzhelm abzudecken. Nein. Unsereins trägt Borsolino und ist damit immer gut gefahren.
Wie Daisy, die zierliche Einjährige meiner Freundin Dora, nuggelt Tom dann auf dem Rad am Fläschchen. Das Fläschchen ist vollgetankt mit Mineralstoffen und Aufbauelementen, sodass man mit einem einzigen Schluck ein ganzes Altersheim problemlos wieder auf Trab bringen könnte.
Wenn mich dürstet, gehe ich ins Dorfcafé und ziehe mir einen Fitness-Saft rein (so viel Fitness muss sein? aber auch nur, weil sie mit Banane und Kiwi gemixt ist. Und ich liebe Bananen-Kiwi- Mix!). Überdies runde ich den Fitness-Drink mit einem Stück Quarksahnetorte ab. Manchmal auch mit zwei. Nach der Fitness darf sich einer so ein Sündlein schon gönnen.
Nicht mein Vetter Tom. Er schaut mit anklagenden Augen auf die beiden Teller vor mir und vermiest mir auch noch den letzten Bissen. Soeben ist er von einer 60-Kilometer-Velotour im Dorf eingefahren und hatte wohl für eine Sekunde den echten Tour-de-France-Moment. Als ihm niemand zujubelte, stieg er missmutig vom Sattel und stiess im «Haueter» auf mich und das zweite Kuchenstück.
Sein Nasenrümpfen ist mir egal? aber ich geniere mich wegen seines Outfits. Er trägt diese engen Schläuche, in denen er aussieht, als hätte ihn eine wilde Gewalt in einen Taucheranzug gezwängt. Und wo will er hier schon eintauchen, wenn nicht in die Fladen der Kuh oder in ein drittes Stück meiner Quarkrahmtorte?
Tom verzieht schmerzlich sein von Falten der Erschöpfung durchfurchtes Gesicht: «Wie kannst du auch?!»
Das gilt der Torte.
Dann setzt er sich neben mich und schweisselt, dass mir der letzte Quarkrahmtortenbissen im Halse stecken bleibt:
«Spritz dich erstmals ab, bevor du hier rummiefelst... »? gebe ich den Comment dieser Welt durch und spreize den kleinen Finger von der schönen Hand, die das Kuchengäbelchen hält. Ihn lässt so etwas kalt. Er ist eh der Typ, der die Sauce vom Messer leckt:
«WESHALB BAGGERST DU HIER TONNEN VON KUCHEN REIN, WENN DU DOCH GRIESSSCHNITTEN ZUM NACHTESSEN VORBEREITET HAST?»
Ja, das habe ich: Griessschnitten mit Salat. Die Schnitten werden im Ei gewendet und dann ausgebacken. Das ist doppelt gut und macht doppelt feiss.
«Wenns weiter so schneit, kannst du morgen die Buckelpiste ausprobieren...», versuche ich das Thema zu wechseln.
Tom schüttelt sich wie ein Hund: «Du spielst verrückt, wie unser Klima? weshalb hast du jetzt noch Schinken eingekauft?»
Ist ja klar? weil Schinken zu Griessschnitten köstlich schmeckt. Aber diese Körnchenpicker-Zicke schnippelt da auch noch den Fettrand von der Sau: DAS BESTE!
Nun lächelt er. Und zieht ein seltsames, rosiges Band aus der Tasche: «Das habe ich in der Apotheke gefunden. Ein Theraband. Damit bringe ich dir ein paar Übungen bei, wenn das Wetter schon mies spielt. Deine einzige Sommersportbewegung soll nicht das Heben der Tortengabel gewesen sein...»
Weshalb muss das innige Band zwischen zwei Vettern aus Gummi und dann noch ziehbar sein? Und weshalb soll einer dieser beiden Vettern nun mittels einer Elastik die Arme dehnen und Muskeln strecken?
REICHT ES NICHT, DASS ICH SIEBEN MINUTEN LANG DEN GRIESSBREI RUMGERÜHRT HABE? KRÄFTIG. DENN NUR SO BEKOMMT ER KEINE KNOLLEN.
Nun ja? will mal nicht so sein. Ich nehme das Band dankbar an. Kann ja auch mal als Stola dienen.
PS: Und drei Mal dürft Ihr raten, wer Toms Fett vom Schinken isst!
Vom Schnee im Sommer und Toms rosigem Band
Donnerstag, 31. Juli 2008