Vom kochenden Bischof und dem nicht gestandenen Altfrangg

Freitag - Habe wieder mal Betty zum Hüten.

Betty ist eigentlich Bethli. Oder Elisabeth. Das Frischgeborene wurde in pekuniärer Hoffnung nach einer reichen Erbtante benannt.
Die Erbtante hat der Kleinen dann brav auf jeden Geburtstag einen Silberlöffel geschenkt. Als sie (die Tante) ins Gras biss, eröffnete der Testamentsvollstrecker jedoch der geschockten Familie, dass Elisabeth Holzer ihr gesamtes Vermögen einer Stiftung zur Kastrierung von herumstreunenden Katzen hinterlässt. Bethli erhielt die restlichen drei Löffel, um das Dutzend voll zu machen.
Das Mass war dann wirklich voll: 24 Silberlöffel - DAZU DIESER NAME.
So wurde Bethli aus Protest zu Betty. Das Grab der Grosstante blieb unbesucht.

Samstag - Betty ist also in diesem schrecklichen Alter, wo einem Kopfhörer wachsen und überzuckerte Rosa-Cocktails, die mit Grenadine-Sirup gefärbt werden, schick sind. Betty ist wie diese Cocktails: süss - aber nicht geniessbar.

«Sie liebt es, bei euch in Basel zu sein?», das war Babsi, meine Freundin aus heterosexuelleren Tagen. «Sie findet Onkel Innocent zum Anbeissen und kann sich göttlich amüsieren, wenn er wieder seine Hörapparätchen im Eiskasten sucht!»
INNOCENT IST SOMIT DIE KLAMAUKSHOW, DIE BETTY DEN TAG AUFHELLT. Gottlob ahnt der alte Clown nichts davon. Er würde aus Betty böse Brei machen. Innocent findet nämlich die Göre, die jeweils von Zürichs Goldküste in die Provinz anreist, eine blechig scheppernde Zumutung für jedes Basler Ohr. Deshalb schaltet er seine sensiblen Hightech-Lauscher während Bettys Anwesenheit auf «OFF».

So lebe ich einerseits mit der Kleinen, aus deren Kopfhörer BUMMS-BUMMS-RHYTHMEN zischen und ich von einer nervös piepsenden Rockstimme immer nur «I WONNA FUCK? I WONNA FUCK?» verstehe. Die andre Seite: Funkstille. Und auf die Frage: «HAST DU KALT GEDUSCHT?» tropft prompt die Antwort: «Ja, Bush ist alt geworden?» Um all das Schreckliche zu vergessen, das mir den Tag nicht macht, greife ich zum Piccolo. Und blas? mir eins.

«HÖR AUF - DAS IST JA SCHRECKLICH!» Das war es nicht. Es war der «Altfrangg». Bei den Moll-Versen bin ich ein bisschen von den Klappen gerutscht. Aber Lambiel hat den Axel ja auch nicht dreifach gestanden. Na also.
Für einmal sind sich der alte Clown und die Zuckerzicke von der Limmat einig: «Geh in den Wald, wenn du üben willst?» JA UND WAS SAGEN DANN VOSSELER UND ALL SEINE LIEBEN BÄUME?
«In vier Tagen ist Morgestraich - ich muss üben», verteidige ich meinen privaten Musikantenstadel.

Betty nimmt sich den Fucking-Man aus dem Ohr: «Als was gehst du denn?»
«DAS IST EIN GEHEIMNIS. KEINER SAGT IN BASEL VOR DER FASNACHT, WELCHES SUJET ER AUSSPIELT?» «Er geht immer als Bischof», nölt Innocent aus der Küche. «Im Weihnachtsbaumzimmer hängt die Klamotte seit Jahren gleich neben der Jesus-Krippe und?»
MEINE LIEBEN - ER HAT SEINE LÖFFEL ZUGEKLEISTERT. ABER ER SPÜRT MIT OFFENEM AUGE MEINEN INTIMSTEN GEHEIMNISSEN NACH?

Dienstag - Ich höre, wie Betty mit Babsli in Kalifornien telefoniert. Alles auf MEINEM Apparat - und auf Innocents Rechnung.

Seit Babsli sich diesen Zürcher Nobelarchitekten geangelt hat, jettet sie laufend (natürlich nicht laufend, sondern fliegend) also: Seit Babsli dieses Grossmaul von der Cervelat-Prominenz dazu brachte, in die gemeinsame Beziehungskiste einzusteigen, jagt sie jedes dritte Wochenende nach Miami, um irgendwelche Sonnenstoren reparieren zu lassen, die ein Wirbelsturm dort wetterlaunig aus den Schienen gerupft hat. NICHTS DAGEGEN. Aber weshalb muss unsereins auf Babsis privaten Wirbelsturm aufpassen.

«ACH, DIE ZÜRCHER JUNGSZENE IST VOLL VON KOKS UND DESIGNER PILLEN. ICH WILL BETTY DA NICHT UNBEAUFSICHTIGT LASSEN!» Nun langweilt sich die Göre bei uns in der tiefen Provinz. Statt Koks zieht sie Innocents Grappa rein: «Nur so ist dieses Nest hier am Rhein erträglich; auf den Morgestraich habe ich übrigens ein paar Zürcher Freunde eingeladen! Die werden euch Baslern mal zeigen, wie man den Böög richtig vibrieren lässt?» «I WONNA FUCK» im Ohr. Grappa im Hals. Und eine Mutter, die in Miami Rollläden flickt. IST DAS DIE GROSSE, WEITE WELT DER LIMMAT-CLIQUE?
Mir egal. ICH ZISCHE AB SONNTAG EH AUF MEINE EIGENEN BASLER WOLKEN AB - ohne Koks. Ohne Fuck. Mit einem miesen «Altfrangg». Und dies alles als «kochender Bischof».
ABER - PSSSST - DAS SUJET BLEIBT NATÜRLICH UNTER UNS, MEINE LIEBEN?

Donnerstag, 2. März 2006