Revolution im «Hopfenkranz»

Knorr hat das Pulver erfunden. Es heisst Aromat und hat die Schweizer Küchen im Sturm erobert.

Rezept: Foie gras de Canard «allaromat»

Es fehlt auf keinem Beizentisch. Und steht noch heute in den meisten Schweizer Küchen. Der Siegeszug von Aromat begann Anfang der 50er Jahre und ist ohne Beispiel.

Der «Hopfenkranz» war eine Quartier-Beiz. Und weil Mutter sonntags mit der Kocherei streikte, war am siebten Wochentag immer Hopfenkranz-Essen. Die Familie bestellte das Sonntagsmenü - «und für das Kind einfach ein Gedecklein. Der Kleine isst nicht viel ...», sülzte Vater zu Rösli, der Serviertochter. Das Rösli war noch eine mit dem Beutel unter dem Bauch und dem weissen Spitzenschürzchen darüber.

Wortlos baute die Serviertochter dann vor dem Kind ein Set mit Dessertbesteck und das «Ménage» auf. In den 50er Jahren gehörte das Ménage auf den Beizentisch wie das Amen in die Kirche. Es war ein Gestell, in dem ein blau-graues Steingut-Senfkrüglein mit meist verscherbeltem Deckel wackelte, daneben Salz und Pfeffer im Glasstreuer. Die Krönung: das unvermeidliche Maggifläschlein.

Gelb-rote Alternative. Dann kam jener schicksalsschwere Sonntag. Als zum ersten Mal statt des Maggifläschleins die Alternative dastand: eine gelb-rote Dose mit dem magischen Pulver und dem Aufruck AROMAT. Ich angelte mir Brot aus dem Brotkörbchen, strich etwas Senf drauf und liess das Aromat auf den Senf regnen. «Probier doch zuerst!», schüttelte die Omi den Mahnfinger aus. Aber das Kind verdrehte bereits theatralisch die Augen, wie es dies von Klarabella Kuh aus der Mickey Mouse-Serie her kannte: «Göttlich!»

Auch die Serviertochter warf den Blick himmelwärts: «Kunststück isst dieses Kind nichts, wenn es vor dem Essen die halbe Aromatdose leert und sich durch sämtliche Brotkörbchen heut ...» Mutter tupfte mit dem feuchten Zeigefinger hastig die gelben Körnchen vom weissen Tischtuch: «Wir bestellen für den Kleinen dann zwei Desserts ...», versuchte sie das energische Rösli zu besänftigen. Dann zur Grossmutter: «Schmeckt gar nicht schlecht - die machen jetzt überall Reklame dafür ...» Grossmutter rümpfte die Nase: «Es geht nichts über den guten alten Maggiwürfel!»

Maggi versus Aromat. «Man muss gegenüber Neuem aufgeschlossen sein», meinte Mutter spitz. Und so entbrannte der Maggi-Aromat-Krieg, der nicht nur in unserer Familie ausgefochten wurde. Die Welt teilte sich in der Folge in die Anhänger der Maggifläschlein (die Maggiavellis) und die Aromatbüchsli-Fans (die Aromantischen).

1952 wurde das heutige Aromat auf den Markt gebracht. Es hiess damals «Knorr Pflanzenextrakt» - und nur ein aromenarmer Werber kann sich so einen Namen für Würze ausgedacht haben. Herr Knorr schaltete jedenfalls schnell. Man beschloss bereits 1953, das Pulver, das die Welt verfeinern sollte, in AROMAT umzubenennen - ganz einfach, weil da die verschiedensten Kräuter-Aromen in einer kleinen Streudose zusammenkamen. Pluspunkt für Aromat gegenüber dem Maggifläschlein war, dass es keine braunen Tropfen auf dem Tischtuch mehr gab.

Fulminanter Siegeszug. Aromat wurde zuerst in den Restaurants verteilt. Die Hausfrauen konnten das neue Büchslein dort ausprobieren. Das war ein geschickter Schachzug. Denn bereits neun Monate nach Einführung des Gewürzpulvers lag der Bekanntheitsgrad von Aromat in der Bevölkerung bei 80 Prozent.

Der Siegeszug war nicht mehr aufzuhalten: Die kulinarische Welt aromatisierte. Aromat kam auf jedes Ei, an jedes Flunderfilet, an alle Radieschen und Salate, in jeden Picknickkorb - und als die Bevölkerung von den Medizinern darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sie nach den Kriegsjahren einfach zu exzessiv essen und an Fett zulegen würde, da reagierte das österreichische Mutterhaus von Knorr sofort. Es erfand das Diät-Aromat - für alle, die auf eine salzarme Ernährung achten mussten. Und sich kulinarisch dennoch aromatisch zerstreuen wollten...

Her Royal Aromat. Laut einer Umfrage anno 2001 verwenden heute 88 Prozent aller Haushaltungen Streuwürzen; die Verteilung von Aromat liegt bei 77 Prozent in allen Haushalten. Die Jahresproduktion beträgt rund 3000 Tonnen, davon wird die Hälfte in den Export gestreut.

Übrigens: Selbst die Queen soll Aromat auf dem Tisch stehen haben. Of course not in the «gelben Döschen». Sondern im Silberstreuer. Damit sie sich lady-, pardon: queen-like ihr Senfbrötchen würzen kann.

Foie gras de Canard «all'aromat»

Traditionell. Werner Martin ist einer der Schweizer Sterneköche, der in Flüh mit seiner Küche Furore macht. Martin pflegt die traditionellen Gerichte. Schaut, dass diese nicht zu schwer werden. Und komponiert auf deren Basis neue «plats», die für Gaumen, Magen und Augen eine Freude sind. «Die besten Gewürze sind noch immer Salz, Pfeffer und frische Kräuter», meint der Küchenchef. «Und etwas anderes kommt mir auch nicht in die Küche!»

Immerhin: Privat streut Werner Martin schon mal ein bisschen Aromat aufs Ei. Oder beisst in eine «Anggeschnitte», die mit Schnittlauch, Pfeffer und Aromat gewürzt ist - ein Rezept nach Giovanni Baumgartner. Für uns hat er ebenfalls zum Streuer gegriffen - und eine Entenleber-Tranche damit verfeinert.

Et voilà:

Zutaten:
vier Tranchen Enten-leber à 60 Gramm. 400 g Rhabarber, 300 g Zucker, 5 dl Wasser, Aromat.

Zubereitung:
Aus Zucker und Wasser einen Sirup kochen. Gerüstete Rhabarberstreifen hinein legen (nicht kochen lassen). Entenleber mit Aromat würzen und auf jeder Seite 2 Minuten scharf anbraten. Die Tranchen mit dem Rhabarber anrichten.

Und die Anggeschnitte «Giovanni»:

Zubereitung:
Unpasteurisierte Butter mit Aromat, fein gehacktem Schnittlauch und grob gemahlenem Pfeffer würzen. Damit die «Schnitte» bestreichen.

Rezeptkategorie: 
Freitag, 27. Mai 2005