Jahrelang hat er uns in «Glanz und Gloria» begrüsst. Mit Glanz. Und Gloria. Am Sonntag lädt er zur Kultsendung «Persönlich» interessante Menschen ein. Er moderiert das Zirkusfestival von Monte Carlo am Fernsehen. Und seine Stimme mit dem ureigenen Timbre und dem melodiösen Solothurner Dialekt ist ein Markenzeichen im «Treffpunkt» für alle Radio-Morgenhörer von SRF1. Dabei hat alles mit Smarties-Böxlein angefangen: «Ich war schon immer vom Mikrofon fasziniert. Als Bub bastelte ich mir aus leeren Smarties-Büchsen und langen Schnüren Mikrofone. Später habe ich meine eigene Radioshow auf Kassetten aufgenommen. Und verkaufte diese an meine Abonnenten. Die Abonnenten waren Mutter, Vater, Tanten, Onkel - die ganze Familie.» Ganz klar: Dani Fohrler war der jüngste Radiomacher seiner Zeit.
Wir treffen uns in Bern - das liegt zwischen Solothurn (er) und Adelboden (ich). «...alles klar? «Jacks Brasserie» ist bequem. Die Bude ist gleich beim Bahnhof.» Ich war dann doch leicht von der Rolle: Schreck lass nach! Er will in einen Burger-Schuppen! Aber okay: Er ist der Gast. Und immerhin kann ich so in meinen Bergschuhen anstiefeln.
Überraschung! Jacks Brasserie entpuppt sich als Schweizer höfischer Edelschuppen im Jugendstil-Ambiente. Und wie ich mit meinen Bergschuhen auf die Herrentoilette stampfe, dass die Spiegel sofort schräg an den Wänden rumrutschen, denke ich: Das hätte er mir aber sagen müssen. Er kommt strahlend mit einem Rucksack in Easyjet-Orange. Und im Rucksack steckt auch dieser Charme, der sein Güte-Label ist. «Das ist mein erster Restaurantbesuch seit zwei Monaten.»
Kein Küsschen-Küsschen. Keine Ell bogenstupser. Einfach nur Winken mit dem Mundschutz. «Wsch...dschh...» tönt es vom Servicepersonal hinter der Maske. Dani kapiert sofort. Es ist seine Stärke, sein Gegenüber ohne Wenn und Aber zu verstehen: «Danke - ja, ein Mineral mit, bitte.» Eigentlich sollte er jetzt nach Amerika unterwegs sein. New York. Dann eine dreiwöchige Autoreise. «Aber das ist jetzt gestrichen. Corona lässt grüssen. Wir fahren mal ins Tessin. Und vielleicht auch auf die sanften Hügel der Appenzeller.» Wir - das sind sein Lebenspartner Thomas und er. Die silberne Hochzeit hat die Zweierkiste längst hinter sich.
Dani Fohrler zwinkert. «Ich bin ein treuer Mensch - wenn ich mal zu etwas Ja gesagt habe, dann ist das auch Ja.» Das tönt sehr nach: «Bis dass der Tod euch scheidet. Also auch kirchentreu?» Er winkt ab: «Ich bin katholisch aufgewachsen - meine Familie war religiös. Wir haben den Heiligen Antonius besucht, wenn etwas verloren gegangen war, und ich habe schon als Kind bei der Heiligen Muttergottes Kerzen angezündet. Mache ich auch heute noch, wenn es mir oder irgendjemandem, dem die Muttergottes helfen soll, mies geht. Aber ich bin aus der Kirche raus. Der Vatikan ist nicht so mein Ding. Dennoch bin ich gläubig. Es macht mich wütend, wenn jemand schlecht über Gott und den Glauben herzieht.»
Er grinst. «Ich wollte sogar einmal Priester werden. Immerhin haben mich meine Eltern als 16-Jährigen in das sündhaft teure Institut Catholique des jeunes gens in Neuchâtel gesteckt. Das war ein grosses finanzielles Opfer für sie. Dabei bin ich vor Heimweh fast umgekommen.» Wirklich? Du warst doch frisch im Saft. Die Umgebung war wunderbar. Und du heulst in die Kissen?
«Ich war ein Spätzünder - ich bin auch sehr spät von daheim fortgegangen. Wie gesagt: die Treue. Mein Vater hatte einen Coiffeursalon in Solothurn. Er schnippelte meine Haare bis ich weit über 20 war bei uns der Küche. Als ich erstmals einen anderen Coiffeur aufsuchte, kam ich mir richtig mies vor. Fast als hätte ich einen Vertrauensbruch begangen. Heute? Corona hat die Küchen-Schnipsel-Romantik wieder zurückgebracht. Thomi und ich haben einander die Mähne gegenseitig gestutzt. Die Freunde haben gesagt, wir sähen besser aus als nach der Dauerwelle beim Friseur.»
Und die Corona-Erfahrung als Moderator? «Irgendwie ist alles plötzlich zarter, feiner, sensibler - man hat Pausen im Gespräch, die viel sagen. Es gibt jetzt eine Stille, die redet und die in normalen Zeiten nicht zu hören ist.»
Die lustige Maskenfrau wedelt mit der Menükarte. Wir entscheiden uns für eine Vichyssoise mit Sommertrüffeln. Und für «Sole à la meunière».
Dani Fohrler ist in Deitingen bei Solothurn auf die Welt gekommen: «Ich war die grosse Überraschung - ein Nachzügler nach zwanzig Jahren! Ich war schon im Scheinwerferlicht, kaum dass die Hebamme mir eine auf den Hintern geklatscht hat.»
Klar. Du warst im Mittelpunkt
«...selbst im Lebensmittelgeschäft meiner Eltern drehte sich alles um mich. Wir hatten ein Usego-Lädeli. Aber es gab auch Mercerie im Angebot: von der Wolle bis zur Damenbinde. Das war für einen kleinen Buben hochspannend. Ich lauschte den Gesprächen der Kundinnen. Füllte im Hintergrund die Regale auf. Und lernte zuhören. Und die anderen reden lassen.»
Radio war aber schon immer dein Ding?
«Als kleiner Bub war ich fasziniert, dass man da einfach in ein Mikrofon reden kann. Und irgendwo kommt das Geredete wieder raus. Diese Faszination hat sich bis heute für mich bewahrt.»
Es war damals der Start der Lokalsender...
« Ja. Und ich habe mich bei jedem gemeldet. Rundum. Radio Canale 3 in Biel nahm mich dann. Ich baute ihnen jeden Samstagabend eine Sendung. Natürlich ohne Honorar. Als Radio 32 ins Leben gerufen wurde, war ich im Gründungsteam dabei - und schliesslich durfte ich beim Privat-TV-Sender TV3 vorsprechen. Ich erinnere mich noch genau, ich musste eine Probesendung zum Thema Hormonbehandlungen bei Frauen machen. Ich kam an. Und machte künftig täglich meine eigene Talkshow: Fohrler live.»
Ist das nicht der totale Killer, jeden Tag eine Livesendung zu moderieren?
«Es war eine harte Schule. Manchmal haben wir drei Sendungen an einem Tag abgedreht. Aber man bekommt das Gefühl für die Menschen. Und wenn man das Thema ändern muss...»
Die Sole-Streifen kommen. Dani knipst den Teller ab: «Ich bin so ein Tussi, das alle Teller fotografiert - Thomi bekommt deswegen Flöhe!»
Für die Sendung «Fohrler live» hast du dann auch den Prix Walo bekommen. Und jene Ausstrahlung, als Osman Zoff machte und ziemlich schrille Sätze rausliess («wotsch du min Fettli haa!»), ist Zeitgeschichte geworden. Auf Youtube wurde sie über eine Million Mal angetippt. «Das war echt verrückt. Alles lief aus dem Ruder. Ich war drauf und dran die Sendung abzubrechen.»
Nachdem der Privatsender aufhören musste, hat man dich zum Schweizer Radio und Fernsehen geholt - hier bist du noch immer ein Paradepferd. Galoppierst heute aber etwas langsamer...
«Ich geniesse etwas mehr das Leben, die Zweisamkeit mit meinem Lebenspartner.» Habt ihr euch je geoutet? «Als ich zum Fernsehen kam, sagten sie gleich: Du bist jetzt im Mittelpunkt. Du kannst nichts verheimlichen. Steh zu deinem Schwulsein - also habe ich da auch kein Geheimnis gemacht.» Er wird nun etwas stiller: «Ich habe mit meinen Eltern nie darüber gesprochen. Das wäre nicht ihr Ding gewesen. Aber als ich mit Thomi heimkam, haben sie ihn einfach in die Arme genommen. Er wurde ein Stück der Familie - da musste nie gross darüber geredet werden.»
Zum Dessert ziehen wir uns Cremeschnitten rein. ER ZEIGT AUF DEN BAUCH UND KLEMMT EINE SCHWARTE HERAUS. DIE MISST KAUM EINEN ZENTIMETER «...ich sollte auf die Linie achtgeben.» DIESER WURM! JETZT MACHT ER MIR EIN SCHLECHTES GEWISSEN. ICH SCHAUE IHN GIFTIG AN.
Er grinst: «Ich mache eben Sport. Jogging. Früher Marathon. Das trimmt jeden Ranzen. Die Teilnahme am New Yorker war das Höchste. Thomi und ich fuhren hin. Ich bekam die Startnummer und heulte vor Stolz. Am anderen Tag heulte ich wieder. Ich lag mit 39 Grad Fieber im Bett. Später habe ich den NY-Marathon nachgeholt.» Nach dem Espresso geht er auf die Toilette. ER KOMMT LEICHT HUMPELND ZURÜCK. «Du solltest diese Salbe mit dem dicken Werbehund, der nicht laufen will, aufs Knie schmieren», gebe ich ihm die Retourkarte für den Ranzentrimm.
«Hast du gesehen - zwischen zwei Pissoirs stehen immer zwei Blumenstöcke in den Schüsseln - damit man Abstand hält!» Dani Fohrler versteht es noch heute, das Thema im richtigen Zeitpunkt zu wechseln.
Vorlieben und Abneigungen
Er mag: Spargeln, New York, Joggen und die Anspannung vor einer Livesendung.
Er mag nicht: Innereien, Blender und diese Push-Nachrichten auf dem Handy («...die ich aber doch nie abstelle...»). Überdies hasst er Passwörter («ich vergesse die doch immer...»)