Nubya: «Musik löst etwas in mir aus - und das trägt mich»

Foto: Lucia Hunziker

Sie kommt in Schwarz: lange Hose, Seidenbluse, einfach geschnittener Mantel.

Nubya könnte auch ein Zelt überstülpen. Oder im Raumfahreranzug aufkreuzen. Sie ist stets richtig angezogen. Eine Stilikone.

WER SO SCHÖN UND DAZU NOCH GROSS IST, DARF ALLES AN SICH WERFEN. Es sieht stets aus wie von Dior. Oder Balenciaga.

Wir haben unser Date in der Brasserie des Trois Rois. Nubya schwelgt in Erinnerungen: «Im Ballsaal war die Hochzeitsfeier. Ein wunderbares Fest...»

Ich erinnere mich. Die Regenbogenpresse hat hyperventiliert. Nubya trug ein Brautkleid, das allen den Atem verschlug: ein Schneesturm aus weissen Spitzen.

«Also, diese Art von Roben sind jetzt nicht unbedingt mein Ding. Ich mags einfacher. Dezent. Entsprechend habe ich auch nach einem schlichten Kleid für den Anlass gesucht. In einer Boutique probierte ich ein paar Sachen aus. Die Verkäuferin bat mich dann: «Könnten Sie eine unserer Kreationen für mich überwerfen? Nur mal so... Ich möchte Sie einfach gern darin sehen.»

Jetzt lacht Nubya auf: «Also - die Geschichte ist, dass mir dieser Rock dann nicht mehr aus dem Kopf ging. Und ich zugriff! Schlicht war es nicht - aber ein gesponnenes Märchen in Weiss. Die Dame war die perfekte Verkäuferin.»

Du hast Johannes Barth, einen bekannten Basler Bankier und «Bänggler», geheiratet - Liebe auf den ersten Blick?

«Nein. Ich kannte Hannes seit vielen Jahren. Mein Onkel und er sangen lange Zeit zusammen Schnitzelbängg in der «Striggedde». Als mein Onkel krank wurde, kümmerte sich die Clique rührend um ihn - bis zu seinem Tod. Auch Hannes. Später hat es dann mal an einem Fest so richtig gefunkt.»

Er singt auch in einer Band?

«Ja. Aber einen ganz anderen Stil. Dennoch verbindet uns auch besonders die Musik.»

Du bist seinetwegen von Zürich nach Basel zurückgekommen.

«Nun - in Zürich war ich beruflich stationiert. Im Showbusiness geht dort die Post ab. Also m u s s man an Ort sein. Ich hatte in Zürich eine wunderbare Zeit. Aber ich bin Baslerin. Das Zurückkommen war keine Sekunde ein must. Zürich hat jedoch immer einen grossen Platz in meinem Herzen.»

Du bist hier aufgewachsen - nach 18 Monaten in Nigeria.

«An die frühste Baby-Zeit in Lagos kann ich mich nicht erinnern. Meine Kindheitserinnerungen drehen sich vielmehr um Basel. Heute switche ich zwischen Nigeria und der Schweiz hin und her. Immerhin sind in Lagos fünfzig Prozent meiner Wurzeln. Ich habe vier Schwestern und einen Bruder dort. Übrigens alles Powerfrauen - eine hat in Kanada studiert, lebte in London und startete ihren eigenen Blog. Heute gehört sie mit 30 Angestellten sowie Millionen Followers zu den Young African Leaders. Meine jüngere Schwester ist Influencerin. Auch sehr erfolgreich. Eine dritte stellte ein Reinigungsunternehmen auf die Beine.»

Also familiäre Frauen-Power?

Sie lacht: «Alles selbstbewusste Erfolgsfrauen. Unsere Gene lassen Däumchen drehen nicht zu.»

Wie ist dein Vater von Nigeria nach Basel gekommen?

«Ganz einfach - er hat hier studiert. Und in Soziologie doktoriert. Er lernte meine Mutter kennen - und ging später zurück nach Nigeria. Dort gründete er eine neue Familie - aber sowohl meine Mutter als auch ich sind mit diesem nigerianischen Familienteil sehr verbunden. An meiner Hochzeit kamen alle angeflogen.»

Sie wird nun leiser. «Vor vier Jahren war rund um mich das Chaos: Der Umzug nach Basel stand vor der Tür, die Hochzeitsvorbereitungen Ich hatte fast jeden Abend Proben und Auftritte, aber irgendwie spürte ich: Ich muss zu meinem Vater. Er war krank. Und ich fühlte in meinem Innern: Er ruft nach mir Also liess ich alles links liegen. Die Leute meinten, ich sei verrückt, in dieser hektischen Phase einem inneren Ruf zu folgen.»

«Meine Mutter begleitete mich. Und die Frau meines Vaters bereitete ein grosses Fest vor, als sie erfuhr, dass wir beide kommen. Es wurde Papas letztes Geburtstagsfest. Und er war so glücklich. Einen Monat danach ist er gestorben. Ich denke, wir sollten im Leben mehr unserer inneren Stimme als den Ratschlägen der andern folgen.»

Mittlerweile serviert der Chef persönlich. Wenn Nubya kommt, tanzt die Service-Crew. Die Sängerin zaubert allen ein Lachen in die Augen.

Kochst du auch?

«Während der ersten Corona-Wochen haben Hannes und ich n u r gekocht. Diese unfreiwillige Auszeit war ein Geschenk. Natürlich koche ich anders als er - ich esse gern gesund. Leicht. Ich mag deshalb die unverfälschte italienische Küche.»

Und wie war die Zeit des Homeoffice während der langen Pandemie-Monate?

«Anfangs, wie gesagt, wunderbar. Doch dann wurde es happig. Ein Künstler muss täglich proben und singen, um ständig auf dem Level zu bleiben. Morgen kann ein Auftritt sein. Du übst also. Aber du weisst nicht, wozu. Da sind plötzlich keine Perspektiven mehr - alles abgesagt. Keine Planungsmöglichkeit. Doch dann kommt das Kreative in dir. Und du nutzt die Zeit, um neue Wege zu gehen, neue Texte zu spinnen.»

Das kommt dem neuen Album im Herbst zugute. Titel?

«Noch offen. Aber ich habe erstmals auch nigerianische Musik eingesponnen. Das macht es wunderbar. Spannend. Und neu.»

Zurück zur Kindheit - du bist hier bei deiner Mutter aufgewachsen. In dir aber stossen zwei Kulturen aufeinander - nicht gerade einfach für ein junges Mädchen.

«War es wirklich nicht. Damals lebten - na ja, gefühlt - fünf Afrikaner hier. Man/frau war mit dunkler Hautfarbe ein Aussenseiter. Und ich wurde von den Kindern gehänselt. Nie bissig. Aber es tat weh. Du gehörtest nicht dazu. Jedoch hat das meinen Ehrgeiz angestachelt: Denen zeigen wir es!»

Du wolltest die Matur!

«Ganz klar. Das stand ausser Frage. Ich besuchte das Gymnasium am Münsterplatz - das damalige HG. Ich belegte sogar Altgriechisch. Und ich war keine schlechte Schülerin. Keine Streberin - eher Minimalistin. Doch Lernen fiel mir leicht. Latein liebte ich heiss.»

Du hast dann die Matura gemacht...

Wieder das Lachen von Nubya. «Im Pausenhof kam ein Lehrer auf mich zu: Dass Sie das schaffen - so etwas hätte ich nie für möglich gehalten... Irgendwie herrschte da in gewissen Männerköpfen noch immer der Gedanke: Schön, dunkel - so etwas kann bestimmt nicht gescheit sein.»

Du hast immer Musik geliebt. Gesungen?

«Ich habe viel gemacht. Sport. Klavier. Ballett. Gesang. Doch mir war klar: Ich will studieren. Nationalökonomie. Ich wollte im künstlerischen Umfeld tätig sein - aber als Unternehmerin, Managerin. Zuerst gönnte ich mir eine Pause. Und studierte in New York City Jazz. Das Jahr im Big Apple hat mich umgekrempelt. Ich spürte: Gesang ist meine Welt. Ich entdeckte auch den Gospel - und war Mitglied eines NYC-Gospelchors.»

Trotzdem hast du dann in Basel Wirtschaft studiert.

«Ja - sieben Semester. Aber ich war mehr auf der Bühne als in der Uni. Dann habe ich mich ganz dem Gesang gewidmet. Allerdings habe ich den Master später in Coaching und Supervision nachgeholt.»

Jetzt stehst du also im Scheinwerferlicht, bist im Fernsehen, hast beim Circus Knie eine Saison lang gesungen - eine Powerfrau. Auch du. Wie deine Schwestern. Was ist dir beim Singen das Wichtigste?

Sie rührt jetzt im Verveine-Tee. Dann leise: «Musik ist mein Leben. Ich höre sie, wenn ich traurig bin. Und auch wenn ich glücklich bin. Sie löst etwas in mir aus - und sie trägt mich. Wenn ich mit meiner Musik bei anderen Menschen ebenfalls etwas auslösen kann, so ist dies das schönste Geschenk.»

Vorlieben und Abneigungen

Sie mag: Die Farben Rot und Pink, Yoga, italienische Küche und das Joggen im Wald.

Sie mag nicht: Gekochten Tintenfisch, Menschen mit Vorurteilen und überkandidelte Cocktails.

Foto: Lucia Hunziker

Montag, 27. Juni 2022