Nein - einfach war es nicht.
Ich versuchte, die Geschäfts leiterin von Sutter Begg zuerst telefonisch zu erreichen. Sie ist immerhin eine der wenigen CEOs im helvetischen Business-Land. Überdies ist sie eine Sutter-Tochter - die vierte Generation im berühmten Brotteig dieser regionalen Bäckereikette. Nochmals ein Telefonanruf. Und wieder abgeblitzt. Man schirmt sie ab, wie die Queen vor Sauerkraut und Blutwurst. Dann schickte ich ein Mail. Die Antwort kam prompt: «Tut mir leid. Aber ich stehe nicht gern in der Öffentlichkeit... und ich rede nicht über Privates - zumindest nicht mit den Medien. Das haben wir in der Familie stets so gehalten. Aber ich möchte Sie gern kennen lernen...»
Sie gab drei Restaurants zur Wahl an - eines war das Rubino. Sie liefert dort ihr Brot aus. Jetzt lacht sie: «Es ist ein Geben. Und ein Nehmen. Für mich ist es selbstverständlich, dass wir diese Restaurants besuchen, die wir auch beliefern können».
Im Rubino hat man für Frau Barmettler den schönsten Tisch reserviert. «Sie ist ein Schatz - und keiner würde denken, dass sie CEO einer Bäckerei kette mit 27 Läden und 270 Angestellten ist. Ihre Leute gehen für sie durchs Feuer...» - so etwas habe ich immer wieder über Katharina Barmettler- Sutter gehört. Das höre ich auch hier. So.
Ich blättere nochmals durch die Unterlagen. Da gibt es allerdings nicht viel Fleisch am Knochen - immerhin sehen wir: das Sutter-Imperium ist in Frauenhänden. In der fünfköpfigen Geschäftsleitung ist nur der Produktionsleiter ein Mann - der Rest: Lady-Power. Und von diesen vier Damen stammen drei aus der Sutter-Dynastie.
Sie kommt. Elegant. Zart. Zierlich - die schönen Reh augen funkeln fröhlich. Ihr schulterlanges Haar glänzt. Sie legt eine Packung ihrer berühmten Happy-Cakes vor mich hin. Und nein - sie hat keine der legendären «Maitlibai» mitgebracht. Die dürfen jetzt eh nicht mehr so heissen. Sondern «Glücksbringer». Sie winkt ab: «Ich wünschte mir, die Menschen wären etwas unaufgeregter, gelassener. Jedenfalls brachte die Diskussion um den Namen ziemlich viel PR-Wirbel mit sich. Das Gebäck war plötzlich wieder in aller Munde. Und verkaufte sich wie nie zuvor...»
Sie sind in Basel aufgewachsen.
«Nein. In Muttenz. Am Wartenberg. Zusammen mit meiner Schwester. Mein Vater war im Geschäft - aber er hat das Geschäft nie an den Tisch getragen. Zu Hause war FAMILIE und null Business. Ich hatte so eine wunderbare Kindheit - wir Mädchen wurden auch nicht forciert, in den Betrieb einzusteigen. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Es gab nie Druck...»
Die Geschichte der Sutter- Bäckereien hat aber in der Stadt Basel ihren Anfang: «Ja. Mein Urgrossvater führte hier eine Bäckerei - und zwar im Kleinbasel: an der Riehentorstrasse. Heute ist die Kult-Bäckerei dort. Damals lief der Laden unter Kappler. Meine Grossmutter, eine richtige Powerfrau, die von früh bis spät im Geschäft stand, hat dann ihren Willy geheiratet - Willy Sutter. So wurde es die Sutter-Bäckerei.»
War der Grossvater auch ein Bäcker?
«Nein. Er war Bücherexperte. Er gab aber den Beruf auf. Und machte bei seinem Schwiegervater eine Bäckerlehre - 1948 gab es dann den ersten Sutter Begg. Und zwar an der Eisengasse...»
Erstaunlich - ich meine, was hat den Grossvater dazu bewogen, sich der Bäckerei zu widmen?
«Nun, er war einfach fasziniert vom Gewerbe. Und er sah darin eine Zukunft - dazu kam, dass eben Zwillinge auf die Welt gekommen waren: mein Vater und mein Onkel. Das war für ihn der Anstoss, einen Familienbetrieb auf die Beine zu stellen »
Ihr Vater und Ihr Onkel waren also für den Beruf vorbestimmt.
«Sie wurden als 16-Jährige gefragt, ob sie sich ihre Zukunft in der Bäckerei vorstellen könnten. Und sie haben zugesagt - mein Vater machte beim Grossvater eine kaufmännische Lehre. Später ging er auch noch an die Bäckerei-Fachschule. Und mein Onkel erlernte das Konditoren-Handwerk in Deutschland. Denn immerhin waren und sind wir auch heute noch eine Feinbäckerei...»
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Bäckerei und Feinbäckerei?
«In der Bäckerei konzentriert man sich aufs Brot. Die Fein bäckerei ist auf Süsses aus gerichtet. Wichtig ist, dass die Öfen getrennt sind. Mein Vater hat immer gesagt, man könne am Duft des Brotes merken, ob da auch Blätterteig mitgebacken werde. Die Öfen, in denen wirklich nur Brote gebacken werden, entwickeln einen eigenen, wunderbaren Geschmack. Wir haben die zwei Arten immer separiert. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb unsere Brote so gut schmecken...»
Sutter Begg entwickelt auch neue Sorten?
«Ja, das Biencuit etwa. Oder den Räuber Hotzenplotz. Dann übernehmen wir auch alte Rezepte von Kollegen, die schliessen. So das Urigs-Brot von Geiser. Oder den Ackersegen von Zoller. Brot ist ein Kulturgut. Für uns ist es eine Pflicht, diese regionalen Brotspezialitäten weiterzuführen.»
Das Paillasse-Brot ist auch eine Sutter-Erfindung...
«So stimmt das nicht - das Paillasse kommt aus dem Welschland. Und zwar aus Genf. Es war das erste Brot, bei dem der Teig 24 Stunden ruht. Wir haben das Rezept dann übernommen - und es wurde ein riesiger Erfolg. Die Grossindustrie hat es schliesslich kopiert...»
Doch das Original nie erreicht...
«Na, das haben jetzt Sie gesagt...»
Sie waren auch Pioniere punkto «Kaffeebecher, den man ins Büro mitnimmt»?
«Schon vor 20 Jahren haben wir damit begonnen - coffee to go! Auch da sind wir kopiert worden. Und das ist richtig so. Denn wenn sie dich kopieren, bist du gut. Also ist es ein Kompliment...»
Kommen wir zum privaten Kuchen. Wie war die Kindheit? Viel Zuckerschlecken?
«Es war eine unbeschwerte Kindheit in Muttenz. Und hier lebe ich immer noch. Da mein Vater und sein Bruder Zwillinge waren, hatte ich auch engen Kontakt zu meinen Cousins und Cousinen. Bis heute...»
Hier also zur Schule gegangen?
«Ja. Ich habe danach herum gejobbt. Und bin nach Indien aufgebrochen: Rucksack- Touristin. Indien hat mich immer wieder fasziniert. Ich ging mehrmals hin. Und immer für längere Zeit...»
Was war die Faszination?
«Das andere Leben - andere Werte als bei uns. Die andere Kultur. Die Menschen gehen Dinge ruhiger an. Liebevoller. Das beeindruckte mich » «Ich habe im Norden und im Süden gelebt - am Strand übernachtet. Bin herumgetrampt. Und habe die indische Heilkunst des Ayurveda kennen gelernt. Später habe ich mich in der Schweiz in dieser Lehre ausbilden lassen...»
Ist Indien immer noch ein Thema?
«Ich möchte es gern wieder sehen - aber man kann Erinnerungen nicht nachleben. Allerdings planten wir hinzureisen. Ich wollte der Familie mein Indien zeigen. Doch dann kam Corona...»
Wir reden nicht über Corona, haben wir so abgemacht...
«Ja - und auch nicht über das Privatleben.»
Aber über Sport könnten wir...
Sie lacht hell auf: «Klar. Gern. Ich bin der totale Bewegungsfreak. Ich jogge gern - brauche das einfach. Ich habe immer gern Sport gemacht. Skifahren etwa - in Valbella habe ich sogar das Skilehrerdiplom geschafft... Sport ist gut für den inneren Ausgleich - und genauso wichtig ist da die Familie!»
Ihr Mann ist Gärtner.
«Ja. Sein Garten ist eine Insel für mich. Seine Blumen...»
Sie sind relativ spät ins Geschäft eingestiegen.
«Ich wollte mir Zeit lassen. Und meine jugendlichen Träume verwirklichen. Schliesslich habe ich eine Familie gegründet - auch dafür wollte ich meine ganze Zeit einsetzen. Und dann kam mein Vater und fragte mich an. Es war der richtige Moment...»
Sie haben drei Kinder - wollen sie als fünfte Generation beim Sutter Begg einsteigen?
«Die Familie hat nie Druck auf mich gemacht. Also mache ich auch keinen Druck auf meine Kinder. Ich habe gelernt, die Dinge heranreifen zu lassen - nun ja, wie einen guten Brotteig. Im Leben ergibt sich meistens alles richtig. Und zwar ganz von selbst...»
Später schickt mir Katharina Barmettler noch ein Mail: «Etwas habe ich vergessen zu erwähnen - ich bin eine leidenschaftliche Jasserin. Da kann ich die Zeit total vergessen. Nur falls Sie doch noch etwas Privates schreiben wollen...»
Na also!
Vorlieben und Abneigungen
Sie mag: Pasta in jeder Form, Backen mit den Kindern, Jassen und Sport.
Sie mag nicht: Allzu intime Fragen, Intoleranz und eine falsche Aufgeregtheit.